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Gender-Data-Gap: Für medizinische Versorgung weiterhin problematisch

  • Mittwoch, 2. Oktober 2024
/C Malambo, peopleimages.com, stock.adobe.com
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Berlin – Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Medizin kann große Chancen bieten, aber auch Risiken bergen. Ein in letzter Zeit viel diskutiertes Thema ist in dieser Hinsicht die sogenannte Gender-Data-Gap, wie es auch bei der Veranstaltung „Frauengesundheit im Fokus“ kürzlich in Berlin deutlich wurde.

Thema waren die geschlechterbezogenen Ungleichheiten von Daten und ihre Auswirkungen auf die Forschung, Entwicklung und medizinische Versorgung.

„Die Gender-Data-Gap ist eine große Herausforderung, die Frauen und andere Gruppen systematisch benach­teiligen könnte“, sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der FDP-Fraktion im Bundestag, Christine Aschenberg-Dugnus.

„Trotz des heutigen Wissensstandes findet das Geschlecht in Studien, in Curricula, in der Diagnostik und Therapie weiterhin keine ausreichende Berücksichtigung“, betonte sie. Dabei habe die Berücksichtigung von geschlech­terspezifischen Unterschieden das Potenzial, nicht nur die Versorgung von Frauen, sondern auch die Versorgung von Männern langfristig zu verbessern.

Durch die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Versorgung habe man in der Vergangenheit jedoch großes Potenzial verschenkt, so Aschenberg-Dugnus. Verzögerte Diagnosen, nicht differenzierte Prävention und verfehlte Versorgung seien bis heute die Folge.

Die Gender-Data-Gap sei deshalb nicht nur ein technisches, sondern auch ein gesellschaftliches Problem. „Es zwingt uns, bestehende Ungleichheiten in der Forschung und in der medizinischen Versorgung kritisch zu hinter­fragen“, sagte sie.

Dabei sei Künstliche Intelligenz erst einmal neutral, erklärte Daniela Kluckert, Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Digitales und Verkehr. Jedoch nur so lange, bis man sie mit entsprechenden Datensätzen speisen würde.

Dies bestätigte Louisa Specht-Riemenschneider, Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informations­freiheit sowie Direktorin des Zentrums für Medizinische Datennutzbarkeit und Translation an der Universität Bonn. „Die KI ist am Ende nur so gut, wie die Trainingsdaten, die wir reinstecken“, sagte sie. Es müsse daher überlegt werden, wie man die Trainingsdaten so hinbekomme, dass eine Gender-Data-Gap vermieden werde.

„Die Datensätze dürfen nicht geschlechterspezifisch sein, beziehungsweise es muss darauf geachtet werden, dass sie auch den Geschlechtern zugeordnet werden“, sagte Kluckert. Specht-Riemenschneider gab zu bedenken, dass dies oft noch schwierig sei, da viele Daten in anonymisierter Form – also auch ohne Angabe von Geschlecht – vorliegen würden. „Wir müssen im Recht die Voraussetzung dafür schaffen, dass überhaupt nach Geschlechtern Trainingsdaten erhoben und verarbeitet werden dürfen“, sagte sie.

Einig waren sich die Expertinnen darin, dass eine größere Menge an Daten benötigt wird, um Künstliche Intelli­genzen effektiv trainieren zu können und die Gender-Data-Gap zu vermeiden. Dafür brauche es jedoch entspre­chen­de Regelungen, so Kluckert.

Die Bundesregierung habe bereits erste Schritte gemacht und eine Datenstrategie und Gesundheitsdatengesetze auf den Weg gebracht. Auf EU-Ebene würde der AI Act dazu beitragen, die Nutzung und Entwicklung von KI ent­sprechend zu regulieren.

Carina Vorisek, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Berlin Institute of Health der Charité (BIH) und Core Facility Digital Medicine and Interoperability (CEI), machte darauf aufmerksam, dass nicht nur bei den Daten, sondern auch innerhalb von Forschungsteams darauf geachtet werden müsse, dass diese vielfältiger werden. „Wir wissen von Studien: Je diverser die Teams sind, desto diverser sind auch die Anwendungen“, sagte Vorisek.

Eine Umfrage unter KI-Entwicklern habe ergeben, dass das Bewusstsein für den Geschlechterbias vor allem bei den männlichen Kollegen oftmals nicht vorhanden sei. Auch nicht das Know-how, wie man diesen verhindern könne. Nur die Hälfte der Männer habe demnach soziodemographische Variablen, zu denen auch geschlechter­bezogene Daten gehören, sammeln wollen.

Der Anteil weiblicher KI-Entwicklerinnen in Deutschland liegt Vorisek zufolge derzeit immerhin bei 30 Prozent. Es müssten jedoch noch mehr Frauen dazu ermutigt werden, in der Forschung zu arbeiten. „Frauen sollten sich auch verstärkt an Studien beteiligen“, ergänzte Vorisek.

Nur so könnten entsprechende Daten auch für die Forschung zur Verfügung stehen. Da dies manchmal schwer mit der Sorgearbeit vereinbar sei, könnten digitale Lösungen, Wearables zur Aufzeichnung von Gesundheitsdaten oder auch eine Kinderbetreuung während der Studiendurchführung möglicherweise Abhilfe schaffen.

nfs

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