Vermischtes

Gesundheitskompetenz in Deutschland leicht verbessert

  • Donnerstag, 9. Oktober 2025
/Halfpoint, stock.adobe.com
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Berlin – Die Gesundheitskompetenz in Deutschland hat sich einer Befragung zufolge in den vergangenen fünf Jahren leicht verbessert. Jedoch profitierten davon nicht alle Bevölkerungsgruppen gleichermaßen, es handle sich weiterhin um ein „ernstzunehmendes Public-Health-Problem“, berichteten Forschende um Studienleiterin Doris Schaeffer von der Universität Bielefeld heute in Berlin.

Sie stellten erste Ergebnisse der Untersuchung HLS-GER 3 vor, die zu einem späteren Zeitpunkt als vollständige Studie publiziert werden soll. Eine hohe Gesundheitskompetenz weisen demnach 44 Prozent der Befragten auf, drei Prozentpunkte mehr als in einer vorherigen Erhebung des Teams vor fünf Jahren.

Es überwiegt allerdings immer noch der Anteil der Bevölkerung, bei dem die Fähigkeiten im Umgang mit Gesundheitsinformationen nur als gering eingestuft werden (rund 56 Prozent).

Verbessert hat sich den Forschenden zufolge auch die digitale Gesundheitskompetenz. Der Anteil der Menschen, bei denen diese gering ist, ist im Vergleichszeitraum auf rund 71 Prozent gesunken. Damit sind diese Fähigkeiten immer noch deutlich geringer ausgeprägt als die allgemeine Gesundheitskompetenz.

Grundlage der Ergebnisse ist eine repräsentative Querschnittsbefragung von rund 2.650 deutschsprachigen Erwachsenen von Oktober 2024 bis Januar 2025. Teilnehmende sollten in persönlichen Interviews unter anderem angeben, wie schwierig es für sie ist, gesundheitsrelevante Informationen zu finden, zu verstehen, zu beurteilen und anzuwenden. Es geht also jeweils um das subjektive Empfinden der Befragten.

Frühere Ergebnisse von 2021 und 2017 sind im Deutschen Ärzteblatt nachzulesen. Die aktuell genutzte Methodik erlaubt den Forschenden zufolge einen Vergleich mit der Veröffentlichung von 2021.

Rolle der Pandemie

Die Ergebnisse aufgeschlüsselt: Rund 18 Prozent der Bevölkerung verfügt der Auswertung zufolge über eine exzellente Gesundheitskompetenz, bei rund 26 Prozent wurde sie als ausreichend eingestuft. Jeweils mehr als ein Viertel verfügen demnach über eine problematische (28,6 Prozent) beziehungsweise eine inadäquate Gesundheitskompetenz (27,1 Prozent).

In Anbetracht von Pandemie, Kriegen, Klimakrise und wirtschaftlicher Unsicherheit sei die klein wirkende Steigerung der Gesundheitskompetenz eine „bemerkenswerte Entwicklung“, kommentierte Schaeffer. Bereits bei einer Zusatzbefragung zu Beginn der Coronapandemie habe man den Trend erkennen können, dieser habe sich nun verfestigt.

Die COVID-19-Pandemie habe zu einem Lernprozess geführt, schließlich habe es in der Zeit gezwungenermaßen eine massive Beschäftigung mit Gesundheitsfragen gegeben, erläuterte die Seniorprofessorin für Gesundheitskompetenzforschung.

Soziales Gefälle bei Ergebnissen

Die insgesamt positive Entwicklung bildet sich allerdings nicht in allen Bevölkerungsgruppen ab, was zu denken geben müsse, so Schaeffer. Bei Menschen mit niedrigem Sozialstatus beispielsweise hat sich die Gesundheitskompetenz sogar verschlechtert, bei der Gruppe mit finanzieller Deprivation sprechen die Forschenden von einer Stagnation.

Die Menschen, die man eigentlich erreichen wolle und müsse, erreiche man bisher nicht, hielt Schaeffer fest. Bereits gut aufgestellte Gruppen hätten hingegen vom positiven Trend profitiert. Es zeichne sich eine Verstärkung des sozialen Gefälles ab.

Generell großes Interesse an Gesundheit

Allgemein ist es keinesfalls so, dass sich die Menschen nicht für ihre Gesundheit interessieren würden: Rund acht von zehn Befragten stimmten der Aussage „über meine Gesundheit will ich alles wissen“ voll und ganz oder eher zu.

Hausärztinnen und -ärzte werden als wichtigste Informationsquelle angegeben, mit deutlichem Abstand vor Internetseiten und Fachärztinnen und -ärzten.

Im Rahmen der Studie sind auch spezifische Formen von Gesundheitskompetenz untersucht worden, etwa zu Fragen rund um die Fähigkeiten zur Navigation durchs Gesundheitssystem. Hier hat die überwiegende Mehrheit der Befragten subjektiv große Schwierigkeiten.

Das Gesundheitssystem sei eine Art „Black Box“ geblieben, bilanzierte Lennert Griese, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Interdisziplinären Zentrum für Gesundheitskompetenzforschung der Universität Bielefeld. Als Verbesserungsmöglichkeiten wurden etwa Versorgungspfade und Orientierungshilfen genannt.

Mehrheitlich schlecht für Katastrophen gerüstet

Ähnlich negativ fällt das Fazit der Forschenden bei der erstmals betrachteten sogenannten katastrophenbezogenen Gesundheitskompetenz aus. Hierbei geht es um den Umgang mit Informationen, die beispielsweise dem Selbstschutz bei Krisen und Katastrophen dienen.

Eines der Ergebnisse: Diese Form der Gesundheitskompetenz ist bei fast 82 Prozent der Bevölkerung nur gering ausgeprägt, besonders schlecht schnitten ältere Menschen ab, hieß es. Hier fehle es offenbar oft am Zugang zu leicht verständlichen und zielgruppengerechten Informationen.

Mehrere Fachleute betonten bei der Ergebnispräsentation, dass es bei der Bewertung der Ergebnisse um systemische Probleme gehe, nicht um individuelle.

Informationsbedürfnis zur ePA

Wie die Befragung weiter ergab, wünschten sich die Menschen mehr Informationen zu Behandlungsalternativen, zur Qualität von Ärztinnen und Ärzten und zu Patientenrechten. Zugenommen habe der Wunsch nach Informationen zur elektronischen Patientenakte (ePA) sowie zu Impfempfehlungen, berichten die Forschenden. Die Studie ermittelt einen Wert von 16 Prozent der Bevölkerung, der die ePA aktuell nutzt.

Zwar zeigt die Befragung eine deutliche Zunahme bei der Nutzung digitaler Möglichkeiten, wenn es um Gesundheitsinformationen geht. Die Suche nach Informationen verlagert sich also immer mehr in den digitalen Raum. Anwendungen auf Basis künstlicher Intelligenz (KI) spielen dabei aber noch eine relativ geringe Rolle.

Während inzwischen 82,5 Prozent der Bevölkerung auf Internetseiten nach Gesundheitsinformationen suchen, ziehen bisher lediglich 17 Prozent KI-Anwendungen für derartige Zwecke heran. Dabei ist unwissentliche KI-Nutzung allerdings nicht berücksichtigt, etwa wenn Suchmaschinen KI-generierte Antworten ausgeben.

In der Diskussion über die Ergebnisse in Berlin machten mehrere Fachleute deutlich, dass beim Thema KI und Gesundheitsinformation mit einem weiteren Schub zu rechnen ist, was Potenziale in Hinblick auf Verständlichkeit und Nutzung einfacher Sprache bieten könne. Gleichzeitig wurde betont, dass es eine Steuerung von Angeboten brauche, um Qualität und Zuverlässigkeit der Ergebnisse zu sichern. Das Feld dürfe auch nicht nur den großen Playern in den USA überlassen werden.

Daten des Bielefelder Teams erlauben auch Schlussfolgerungen über mögliche Folgen niedriger Gesundheitskompetenz: etwa in Form einer ungesünderen Ernährung, mehr Fehltagen, mehr Hausarztkontakten und häufigere Inanspruchnahme von Notfalldiensten.

An der Befragung HLS-GER 3 waren auch Forschende der Charité – Universitätsmedizin Berlin sowie der Hertie School beteiligt. Gefördert wurde sie vom Bosch Health Campus.

ggr

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