Jedes zehnte Grundschulkind geht ohne Frühstück zur Schule

Berlin/Deggendorf – Zehn Prozent der Grundschüler verlassen einer Erhebung zufolge morgens ohne Frühstück das Haus. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach unter Eltern im Auftrag des Discounters Lidl.
Auf knapp drei Millionen Grundschüler in Deutschland hochgerechnet sind rund 300.000 Kinder betroffen. Kommunen und Länder sollten helfend eingreifen, finden der Deutsche Lehrerverband sowie Kinderrechtsexperten von SPD, Grünen und FDP. Neben den Kindern, die mit leerem Magen zur Schule kommen, gibt es ungefähr genauso viele Kinder (9 Prozent), die morgens alleine zu Hause frühstücken.
„Leider decken sich die Ergebnisse dieser Studie mit den Erfahrungen zahlreicher Lehrkräfte vor Ort“, sagte Lehrerverbandspräsident Heinz-Peter Meidinger. Auf der einen Seite gebe es eine wachsende Gruppe von Helikoptereltern, die ihren Kindern auch noch über 20 Kilometer das vergessene Pausenbrot in die Schule nachführen, auf der anderen Seite gebe es immer mehr Eltern, die sich um das Wohlergehen ihrer Kinder kaum kümmerten.
Fehlendes Frühstück wirkt sich auf Leistungsfähigkeit aus
„Wenn Schulen mit Unterstützung von Land und Kommunen für solche Fälle ein Notfrühstück bereithalten, ist das sicher sinnvoll“, sagte der Schulleiter aus dem niederbayerischen Deggendorf weiter. Früher habe es auch flächendeckend in manchen Bundesländern Schulmilch und Schulobst gegeben. Ein fehlendes Frühstück wirke sich massiv auf die schulische Leistungsfähigkeit aus.
„Welche verschiedenen Gründe auch immer es dafür geben mag, dass Kinder ohne ein gesundes Frühstück in der Schule sitzen – sie selbst können nichts dafür“, sagte Susann Rüthrich (SPD), Vorsitzende der Kinderkommission des Bundestags. Sie forderte eine Kindergrundsicherung, wenn bei Eltern das Geld nicht reiche oder eine Familienberatung, wenn es an Wissen fehle.
Kinder sollten vor allem in zunehmendem Alter auch in der Schule zu gesunder Lebensweise und Ernährung befähigt werden, so Rüthrich. Mehr als die Hälfte der befragten Eltern (53 Prozent) wünscht sich der Umfrage zufolge, dass Ernährung in der Schule eine größere Rolle spielt und ihren Kindern dort mehr über gesunde Ernährung beigebracht wird.
„Ein gutes und gesundes Frühstück sollte für alle Kinder eine Selbstverständlichkeit sein“, sagte die Grünen-Kinderrechtsexpertin Katja Döring. Die meisten Eltern wüssten das. Es sei aber im oft hektischen Alltag nicht immer leicht umzusetzen. „Einige Kommunen finanzieren mittlerweile ein Frühstück in Grundschulen, das für Kinder aus armen Familien auch kostenlos ist. Diese Ansätze gilt es auszubauen.“
Lösungen müssen gemeinsam gefunden werden
Für die FDP-Politiker Matthias Seestern-Pauly, ebenfalls Mitglied der Kinderkommission, beschreibt die Umfrage einen untragbaren Zustand. „Wir brauchen ein neues Miteinander von Schule, staatlichen Hilfen und Eltern. Wenn Kinder in ihrer Gesundheit gefährdet sind oder nicht vernünftig lernen können, müssen Schulen, Eltern und Gesellschaft gemeinsam zu Lösungen kommen.“ Die Kinderkommission ist ein Unterausschuss im Parlament, der sich speziell für die Rechte von Kindern und Jugendlichen einsetzt.
Für die Analyse wurden nach Institutsangaben mehr als 1.000 Mütter und Väter befragt, die mindestens ein Kind im Grundschulalter haben. Das Frühstück halten die meisten (53 Prozent) – im Vergleich zum Mittag- und Abendessen – für die wichtigste Mahlzeit für Grundschulkinder. Die Eltern zeigen sich durchaus selbstkritisch: Die Mehrheit (57 Prozent) sagt, es sei oft nicht leicht oder gelinge überhaupt nicht, dass sich ihr Kind so ernähre, wie sie das vorstellten.
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