Vermischtes

Klage von Chefarzt zu Schwangerschaftsabbrüchen vor Arbeitsgericht abgewiesen

  • Freitag, 8. August 2025
Der Gynäkloge Joachim Volz kommt nach der Urteilsverkündung aus dem Landesbehördenhaus, in dem die Verhandlung stattgefunden hat. /picture alliance, Bernd Thissen
Der Gynäkloge Joachim Volz kommt nach der Urteilsverkündung aus dem Landesbehördenhaus, in dem die Verhandlung stattgefunden hat. /picture alliance, Bernd Thissen

Lippstadt – Mit seiner Klage gegen ein weitreichendes Verbot der Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen ist der Chefarzt Joachim Volz heute vor dem Arbeitsgericht Hamm gescheitert. Er hatte gegen seinen Arbeitgeber geklagt, der ihm Schwangerschaftsabbrüche am Klinikstandort in Lippstadt und darüber hinaus in seiner Privatpraxis in Bielefeld weitestgehend untersagt hatte.

„Die Kammer hat entschieden, dass das beklagte Krankenhaus berechtigt gewesen sei, im Rahmen des zustehenden Direktionsrechts diese Vorgaben zu machen und hat die Klage abgewiesen“, teilte das Arbeitsgericht Hamm heute mit. Eine nähere Begründung soll demnach zu späterem Zeitpunkt vorgelegt werden.

Der Rechtsstreit könnte dennoch weitergehen. Nach der Entscheidung sagte Volz auf die Frage, ob er die nächste gerichtliche Instanz anstrebe, das sei „fast sicher“. Entsprechend hatte er sich vor einigen Tagen auch im Interview mit dem Deutschen Ärzteblatt geäußert. Er müsse aber erst die Begründung genau prüfen und mit seinen Rechtsvertretern beraten.

Die Vorgeschichte

Nach einer Fusion des Evangelischen Krankenhauses, an dem Volz beschäftigt war, mit dem Dreifaltigkeits-Hospital zum „Klinikum Lippstadt – Christliches Krankenhaus“ hatte der katholischer Träger dem Gynäkologen das Vornehmen von Schwangerschaftsabbrüchen ab Februar 2025 untersagt, ausgenommen Fälle von akuter Lebensgefahr für Mutter oder Kind.

Volz hatte angegeben, dass an der Klinik zuvor etwa 20 bis 30 Schwangerschaftsabbrüche mit medizinischer Indikation pro Jahr durchgeführt worden seien.

Das Verbot betrifft den ambulanten ebenso wie stationären Bereich und darüber hinaus eine Praxis mit reproduktionsmedizinischem Schwerpunkt, die Volz in Bielefeld betreibt.

Eine Nebentätigkeitsgenehmigung des Arbeitgebers von 2012 wurde laut Gericht zu Jahresbeginn dahingehend konkretisiert, „dass von der Erlaubnis zur Ausübung der Nebentätigkeit die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen weder derzeit noch zukünftig umfasst sein werde“.

Diese Schritte wollte Volz nicht hinnehmen und reichte Klage ein. Eine Kündigung sei für ihn keine Option, hatte Volz vor der Verhandlung gesagt. Ein Gütetermin vor Gericht war im Frühjahr gescheitert.

Unterschiedliche Positionen im Gericht

In der Verhandlung wies der Richter darauf hin, dass medizinisch indizierte Abbrüche im Klinikum nicht kategorisch verboten seien, sondern in Teilen auch weiterhin erlaubt.

Eine Ausnahme bilde die Situation, „dass Leib und Leben der Mutter beziehungsweise des ungeborenen Kindes akut bedroht sind, und es keine medizinisch mögliche Alternative gibt, mit der das Leben des ungeborenen Kindes gerettet werden könnte“. Diese Ausnahmen müssten dann begründend dokumentiert und der Geschäftsführung bekanntgegeben werden.

Im Gerichtssaal sagte Volz, die neue Klinikleitung habe ihm selbst bei schwersten Schädigungen, etwa einem ungeborenen Kind ohne Schädeldecke, keinen Spielraum gelassen. Auch in solchen Fällen dürfe er keinen Abbruch vornehmen. Eine Frau müsse in schweren Notsituationen aber die Freiheit haben, selbst zu entscheiden.

Der Geschäftsführer des Klinikums, Hauke Schild, sagte, ein Arbeitgeber dürfe bestimmen, was in seinem Unternehmen gemacht werde und was nicht. „Das ist unternehmerische Freiheit.“ Der Rechtsvertreter des Klägers, Till Müller-Heidelberg, argumentierte hingegen, eine Klinikleitung könne Dienstanweisungen erteilen, diese umfassten aber nicht den ärztlichen Bereich – also Diagnostik und Therapie.

Volz ist der Ansicht, das Verbot des katholischen Trägers ignoriere das ärztliche Urteil, den Willen der Patientin und das Gesetz, das einen solchen Eingriff in bestimmten Fällen erlaube.

Viel Unterstützung online und auf der Straße

Bei einer Demo mit dem Titel „Stoppt das katholische Abtreibungsverbot“ kurz vor der Gerichtsverhandlung bekräftigte Volz, er sehe diese Auseinandersetzung um das Klinikum Lippstadt nicht als Einzelfall. Überall, wo im Rahmen von politisch gewollten Klinikfusionen demnächst katholische Träger mitmischten, sei zu befürchten, dass diese Hilfen strukturell nicht mehr angeboten würden.

Nach Polizeiangaben beteiligten sich rund 2.000 Menschen an dem Demozug. Auf Transparenten war zu lesen „Himmel Hölle Heuchelei! Kirche, lass die Frauen frei“ und „Hilfe und Selbstbestimmung anstatt Bestrafung“.

Die Organisatorin der Demo, Sarah Gonschorek (Grüne), sagte, sie empfinde das Verbot als eine große Ungerechtigkeit gegenüber den betroffenen Frauen. Auch aus Bund und Land NRW waren Politikerinnen gekommen, darunter die Grünen-Co-Fraktionschefin Britta Haßelmann.

Haßelmann sprach nach dem Urteil davon, dass es kein guter Tag für Frauen in Lippstadt und ganz Deutschland sei. „Von der katholischen Kirche ist ein Umdenken in dieser Frage erforderlich. Dass Ärztinnen und Ärzte in diese unmögliche Lage gebracht werden – ihrem medizinischen Eid verpflichtet und gleichzeitig vom Arbeitgeber angewiesen –, ist unhaltbar und muss dringend reformiert werden.“

Eine Petition des Mediziners erhielt innerhalb weniger Wochen viel Zuspruch. Beim Demozug stoppte er vor dem Klinikum und hielt eine Tafel hoch, auf die er die Zahl 231.470 eintrug: die aktuelle Unterschriftenzahl. Das sei „überwältigend“.

Die Ärztekammer Westfalen-Lippe (ÄKWL) hatte sich bereits vorab hinter Volz gestellt und erklärt: „Es ist unethisch und nicht akzeptabel, erst dann zu handeln, wenn das Leben der Mutter akut gefährdet ist.“ ÄKWL-Präsident Hans-Albert Gehle sprach von einer bedenklichen Entwicklung.

ggr/dpa

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