Vermischtes

Klimawandel treibt Zahl der Hitzetoten in Europas Städten nach oben

  • Mittwoch, 17. September 2025
/picture alliance, Christoph Soeder
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Berlin – Der Großteil der Hitzetoten in diesem Sommer in europäischen Städten dürfte einer Analyse aus Großbritannien zufolge auf den Klimawandel zurückzuführen sein. Von den insgesamt ermittelten 24.400 zusätzlichen Todesfällen durch Hitze seien 68 Prozent der menschengemachten Erwärmung des Planeten zuzuschreiben.

Das teilten das Imperial College in London und die London School of Hygiene and Tropical Medicine heute zu online veröffentlichten und bislang nicht mittels Peer-Review geprüften Daten mit. Es handele sich um erste Schätzungen zum aktuellen Sommer, Meldezahlen hätten zunächst nicht vorgelegen.

Die Analyse decke knapp ein Drittel der europäischen Bevölkerung und den Zeitraum von Juni bis Ende August ab. Es handelt sich somit nur um einen Ausschnitt des Geschehens.

Insgesamt waren 854 europäische Städte mit mehr als 50.000 Einwohnerinnen und Einwohnern Teil der Untersuchung. Besonders viele klimawandelbedingte Hitzetote ermittelten die Forschenden für Italien (4.597), Spanien (2.841), Deutschland (1.477) und Frankreich (1.444).

Blickt man auf die Metropolen, so starben den Schätzungen zufolge die meisten Menschen im Zusammenhang mit klimawandelbedingter Hitze in Rom (835), Athen (630) und Paris (409). Für Berlin werden 140 solcher Todesfälle angenommen. Viele dieser Menschen wären ohne Klimawandel nicht gestorben, betonte Klimaforscherin Friederike Otto vom Londoner Imperial College. Ohne ein Umsteuern in der Energiepolitik drohen die Zahlen weiter zu steigen.

Die Länder, die am stärksten von einer einzelnen Hitzewelle getroffen wurde, waren laut der Erhebung Rumänien, Bulgarien, Griechenland und Zypern im Juli – mit geschätzt 950 Hitzetoten bei Temperaturen von bis zu 6 Grad Celsius über dem Durchschnitt. In Städten kann es den Forschern zufolge deutlich heißer werden als in ländlichen Gebieten – zum Beispiel, weil versiegelte Flächen Wärme speichern (sogenannter urbaner Hitzeinseleffekt).

Hitze trifft alternde Bevölkerung besonders stark

Die Forschenden warnen vor einer wachsenden Gefahr für die alternde Bevölkerung Europas: Der Kontinent erwärme sich am schnellsten. Es würden nicht nur Leben gefährdet, sondern auch die Gesundheitssysteme belastet. Unter den geschätzten Hitzetoten waren allen voran Menschen ab 65 Jahren (85 Prozent).

Der überwiegende Großteil der Todesfälle im Zusammenhang mit Hitze wird nicht offiziell erfasst, etwa weil es sich bei Betroffenen um Menschen mit Grunderkrankungen wie Herz-, Atemwegs und Nierenproblemen handelt. Doch hohe Temperaturen können zu einer Verschlimmerung dieser Erkrankungen führen. Aus Sicht der Forschenden handelt es sich somit um vermeidbare Todesfälle. Mithilfe von Modellierungen wird versucht, die Hitzeeffekte greifbarer zu machen.

Das Team aus den Bereichen Klimaforschung und Epidemiologie blickte zunächst auf Wetterbeobachtungen und Klimamodelle, um den Einfluss des Klimawandels auf Tagestemperaturen in den einzelnen Städten zu verstehen, wie es hieß. Demnach habe der Klimawandel die Temperaturen dort im Durchschnitt um 2,2 Grad Celsius im Vergleich zur vorindustriellen Zeit erhöht, und in manchen Städten in Süd- und Osteuropa sogar um 3,6 Grad.

Anhand bekannter Forschungsergebnisse zu Veränderungen der Todesfälle bei bestimmten Temperaturen und den real beobachteten Temperaturen in diesem Sommer schätzte das Team die Zahl der hitzebedingten Todesfälle, es gestaltete darüber hinaus ein Szenario ohne Erwärmung durch den Klimawandel.

Nicht an der Arbeit beteiligte Fachleute schätzten die genutzten Methoden laut Science Media Centre als robust ein. „Was diese Erkenntnis noch alarmierender macht, ist die Tatsache, dass die in diesen Attributionsstudien verwendeten Methoden wissenschaftlich fundiert und dennoch konservativ sind“, erklärte etwa Akshay Deoras vom National Centre for Atmospheric Science der University of Reading.

Die verwendeten Modelle unterschätzten bekanntermaßen die Erwärmungsrate in vielen Teilen Europas. Das bedeute, dass es tatsächlich noch mehr Todesopfer in dem Zusammenhang gegeben haben dürfte.

Appell zum Reduzieren der Treibhausgasemissionen

Die Forschenden mahnten einen raschen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen an, da allein mit der Anpassung von Städten und Gesellschaften an den Klimawandel die extreme Erwärmung nicht kompensiert werden könne. „Der beste Weg, um Tausende Leben vor Hitze zu schützen, bleibt ein drastisches Zurückfahren der Treibhausgasemissionen“, erklärte Pierrre Masselot von der London School of Hygiene & Tropical Medicine.

Das Team betonte, dass bereits der vermeintlich relativ geringe globale Temperaturanstieg im Zuge des Klimawandels von 1,3 Grad Celsius im Vergleich zur vorindustriellen Zeit ein gefährlich hohes Niveau an Erwärmung bedeute.

Die erwartete weitere Erwärmung des Planeten bedeutete, dass noch mehr Menschen schädlichen und potenziell tödlichen Temperaturen ausgesetzt seien. Die Zeit von Juni bis Ende August 2025 war den Forschenden zufolge der viertwärmste Sommer seit Beginn der Aufzeichnungen.

Der Deutsche Wetterdienst (DWD) hatte Ende August für Deutschland festgehalten, dass der Sommer 2025 von zwei markanten Hitzewellen geprägt gewesen sei, unterbrochen durch eine wechselhafte, teils relativ kühle und ausgesprochen nasse Juliphase. Die bundesweite Mitteltemperatur habe bei 18,3 Grad Celsius gelegen, laut DWD 2,0 Grad über dem Wert der international gültigen Referenzperiode 1961–1990 und 0,7 Grad über der aktuellen Vergleichsperiode 1991–2020.

ggr

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