Kritik am Umgang der Gesellschaft mit Menschen mit Behinderung

Würzburg – Im Umgang mit Menschen mit Behinderungen geht es zu wenig um das Menschenrecht auf Teilhabe. Das meint der ehemalige Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, Hubert Hüppe (CDU).
Menschen mit Behinderungen würden noch immer oft in Sondereinrichtungen untergebracht, beklagte Hüppe heute in der in Würzburg erscheinenden katholischen Wochenzeitung Die Tagespost.
„Als Begründung kommt oft, Menschen mit Behinderungen bräuchten einen geschützten Raum. Ich frage mich aber, ob sich da nicht oft Nichtbehinderte vor behinderten Menschen schützen“, sagte Hüppe, der das Amt von 2009 bis 2013 ausübte.
Keine Gruppe werde so sehr diskriminiert wie diese, ergänzte Hüppe. „Niemand muss aufgrund seines Geschlechts oder seiner Herkunft in eine Sondereinrichtung gehen.“ Er betonte, die Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention durch Deutschland im Jahr 2009 habe zwar eine Aufbruchsstimmung im Land mit sich gebracht.
„Inzwischen ist diese Aufbruchstimmung jedoch erloschen und die Sonderstrukturen haben sich wieder durchgesetzt.“ So würden etwa wieder viele Sonderschulen gebaut – „während der gemeinsame Unterricht, obwohl nachweislich für alle Schüler besser, ausgehungert wird“.
Anders als für andere benachteiligte Gruppen gebe es in seinem Bundesland Nordrhein-Westfalen auch keine Beobachtungsstelle gegen die Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen. Dabei seien sie, vor allem Frauen, viel häufiger Opfer von Gewalt – auch in Sondereinrichtungen.
„Menschen mit Behinderungen kommen immer an letzter Stelle“, kritisierte Hüppe. Auch eine fehlende Wertschätzung in der Gesellschaft beobachte er: „Ich erlebe immer wieder, dass erwachsene Menschen mit Behinderungen einfach wie Kinder geduzt werden.“
Die Trennung zwischen Menschen mit und ohne Behinderungen müsse zugunsten einer gemeinsamen Lebenswelt aufgehoben werden, forderte er. Nichtbehinderte lernten sonst nicht, mit Menschen mit Behinderungen umzugehen. Viele von ihnen hätten Angst, bei Begegnungen mit ihnen etwas falsch zu machen.
Auch Menschen mit Behinderungen könnten davon nur profitieren: „Wer als Kind und Jugendlicher mit Behinderung im Schonraum lebt, wird danach kaum Chancen im Alltag haben.“ Wer ernsthaft versuche, Teilhabe umzusetzen, werde erstaunt sein, was alles möglich sei.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: