Leopoldina fordert Altersgrenzen für Social-Media-Nutzung

Halle – Wissenschaftler der Leopoldina haben ein Diskussionspapier mit Handlungsempfehlungen für die Politik vorgelegt, um Kinder und Jugendliche besser vor negativen Auswirkungen von Sozialen Medien (Social Media) zu schützen.
Kinder unter 13 Jahren sollten demnach keine Social-Media-Accounts einrichten dürfen. Für 13- bis 15-Jährige sollten Soziale Medien nur nach gesetzlich vorgeschriebener elterlicher Zustimmung nutzbar sein.
Für 13- bis 17-Jährige sollten Netzwerke zudem altersgerecht gestaltet werden, etwa durch ein Verbot von personalisierter Werbung und die Unterbindung besonders suchterzeugender Funktionen wie Push-Nachrichten und endloses Scrollen.
Die Wissenschaftler verschiedener Forschungsgebiete empfehlen außerdem, ein Verbot von Smartphones in Kitas und Schulen bis einschließlich der 10. Klasse.
Die Nutzung sozialer Medien ist für einen Großteil der Kinder und Jugendlichen in Deutschland längst alltäglich. „Viele von ihnen zeigen dabei ein riskantes, manche sogar ein suchtartiges Nutzungsverhalten“, sagte Silvia Schneider, Professorin für Klinische Kinder- und Jugendpsychologie, Forschungs- und Behandlungszentrum für psychische Gesundheit (FBZ) der Ruhr-Universität Bochum, heute bei einem Pressegespräch der Leopoldina, Nationale Akademie der Wissenschaften in Halle.
Die zunehmende Nutzung sozialer Medien gehe mit einer Verschlechterung der psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen einher und könne zu Depressions- und Angstsymptomen, Aufmerksamkeits- oder Schlafproblemen führen.
„Die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen hat weltweit seit 20 Jahren stetig abgenommen. Die Coronapandemie war ein Katalysator aber nicht allein verantwortlich“, sagte Ralf Hertwig, Direktor am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin. Soziale Medien würden auch als Grund dafür angeführt.
Nach Angaben des Instituts für Therapieforschung, auf das sich die Leopoldina bezieht, verbringen Kinder und Jugendlich werktags im Durchschnitt 2,5 Stunden in den sozialen Medien und sonntags 3,5 Stunden. „Diese Zahlen sind wahrscheinlich noch höher“, ergänzte Hertig.
Das Diskussionspapier erläutert auch die mögliche Umsetzung der Altersgrenzen und altersgerechten Einschränkungen auf Social Media. Hier sehen die Autorinnen und Autoren vor allem auf EU-Ebene Möglichkeiten der Regulierung.
Die deutsche Bundesregierung sollte sich ihrer Ansicht nach dort für entsprechende gesetzliche Regelungen einsetzen. Ein vielversprechender Ansatz sei bereits die geplante Einführung der „EUDI-Wallet“, die einen datenschutzkonformen digitalen Altersnachweis ermöglichen soll.
Um einen reflektierten Umgang mit sozialen Medien zu fördern, schlagen die Autoren vor, einen digitalen Bildungskanon in Kitas und Schulen zu verankern, der Kinder und Jugendliche auf Themen des digitalen Lebens vorbereitet. Die Kompetenzen von Lehr- und Erziehungsfachkräften sollten gestärkt werden, um riskantes beziehungsweise suchtartiges Nutzungsverhalten frühzeitig erkennen und adressieren zu können.
Niedrigschwellige Public-Health-Kampagnen sollten Familien zudem über die Einflüsse sozialer Medien auf die psychische Gesundheit sowie über die Möglichkeiten einer positiven Gestaltung der Social-Media-Nutzung informieren, empfiehlt die Leopoldina.
Schneider wies bei dem Pressegespräch auf „sehr großen" Forschungsbedarf hin. „Wir müssen mehr wissen über die Nutzung sozialer Medien von Kindern und Jugendlichen. Insbesondere bei den jungen Kindern gibt es fast gar keine Daten.“
Die Forschungsgrundlagen aber auch der Umweg über die Eltern, die in die Forschung einwilligen müssen, bedeuteten große Hürden. Um Kinder in der Forschung nicht zu benachteiligen, brauche es hier eine Lösung.
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