Vermischtes

Mehr als 25 Millionen Coronafälle erfasst

  • Mittwoch, 4. Mai 2022
/Thaut Images, stock.adobe.com
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Berlin – Noch vor etwa einem halben Jahr lag die Zahl der seit Pandemiebeginn erfassten Coronainfektionen in Deutschland bei weniger als fünf Millionen. Dann kam Omikron und die Zahl der täglich gemeldeten Ansteckungen schnellte in die Höhe.

Nun wurde die Marke von 25 Millionen offiziell registrierter Fälle überschritten – die Dunkelziffer dürfte aber sehr hoch sein. Was das für den Schutz der Bevölke­rung bedeutet, lässt sich bislang nur erahnen. Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldete heute 25.033.970 Ansteckungen (Stand des RKI-Dashboards von 8.08 Uhr) – hat sich ein Mensch bereits zwei Mal infiziert, kann er auch zwei Mal in die Statistik eingegangen sein.

Fachleute gehen von einer hohen Zahl nicht erfasster Fälle aus, etwa weil auf einen positiven Schnelltest nicht immer ein PCR-Test folgt. Und nur diese Tests werden beim RKI erfasst. Eine kürzlich veröffentlichte RKI-Modellierung legt nahe, dass nur etwa sieben Prozent der Bevölkerung hierzulande bis Ende März weder gegen Corona geimpft noch mit dem Virus in Kontakt gekommen waren.

Das deckt sich ungefähr mit Überlegungen, die Forscher schon vor Bekanntwerden der RKI-Daten angestellt hatten. Demnach könnte die Zahl der Fälle tatsächlich bereits 50 Millionen oder mehr betragen: „Die untere Grenze der Dunkelziffer dürfte bei einem Faktor zwei liegen, je nach Alter und Region kann der Faktor auch deutlich höher liegen“, schätzte der Epidemiologe Hajo Zeeb vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie in Bremen (BIPS).

„Entsprechend ist realistisch davon auszugehen, dass mindestens die Hälfte der Bevölkerung schon einmal infiziert war, und sich die Immunität der Bevölkerung aus Impfung und durchgemachten COVID-19-Erkran­kun­gen zusammensetzt“, schrieb Zeeb. Eine Grundimmunität sei vermutlich bei mehr als 90 Prozent der Menschen vorhanden, wieder mit Schwankungen bei Alter und Region.

Angesichts von Ergebnissen der RKI-Modellierung sprach Andreas Radbruch, Immunologe vom Deutschen Rheuma-Forschungszentrum Berlin (DRFZ), von einer guten Nachricht: Zumindest unter den Erwachsenen und Menschen ab 60 Jahren gebe es mit 3,5 beziehungsweise 4,3 Prozent nur noch sehr wenige, die bisher weder geimpft noch mit dem Virus in Kontakt gekommen sein dürften.

Laut Modellierung sind die geschätzten Anteile bei Kindern größer, auch weil für die Jüngsten noch kein Impf­stoff verfügbar ist. Auch regionale Unterschiede werden angenommen. Ein sehr großer Teil der bisherigen Ansteckungen in Deutschland geht auf Omikron zurück. Zu der Zeit, als die Variante entdeckt wurde, Ende November 2021, waren in Deutschland erst rund 5,6 Millionen Infektionen bestätigt. Omikron breitete sich dann über Wochen immer mehr aus.

Die Autoren der RKI-Modellierung schreiben, ihre Analyse lege nahe, dass hier­zulande einer von sechs Men­schen ungeimpft, aber infiziert worden sei, meist mit Omikron. Diese Gruppe stehe mit Blick auf den kommen­den Herbst und Winter vor größeren Unsicherheiten, da der Schutz vor schwerer Krankheit kurzlebiger und zu sehr auf diese Variante begrenzt sein könnte. Nach vollständiger Grundimmuni­sierung, Booster und Infektion wird hingegen ein längeranhaltender Schutz vor schwerer Erkrankung angenommen.

Hintergrund der Modellierung ist, dass das Immunitätslevel in der Bevölkerung bisher nicht genau beziffert werden konnte. Das liegt etwa an unbemerkt verlau­fenen Ansteckungen und an Überschneidungen der Gruppen von Genesenen und Geimpften.

Zur Frage, wie viele Menschen tatsächlich mit dem Virus in Kontakt gekommen sind, läuft derzeit auch noch eine Auswertung: Für die Studie „Leben in Deutsch­land – Corona-Monitoring 2021“ wurden Teilnehmer unter anderem um Blutpro­ben gebeten, die auf SARS-CoV-2-Antikörper untersucht werden sollten. Erste Ergebnisse werden laut RKI im Juni erwartet. Erhoben wurden die Daten von November 2021 bis Februar 2022.

Auch die Zahl der mehrfach Infizierten hierzulande ist unbekannt. Vergan­­ge­nen November sei die Software in den Gesundheitsämtern zwar so aktualisiert worden, dass nun grundsätzlich auch Informationen zu dem Aspekt erfasst werden können, teilte eine RKI-Sprecherin mit.

Diese müssten jedoch durch die zuständigen Gesundheitsämter ermittelt und bewertet werden. Sobald ausreichend Daten übermittelt wurden, könne das RKI entsprechende Analysen durchführen. Die Stuttgarter Zeitung hatte kürzlich unter Berufung auf lokale Gesundheitsämter berichtet, dass es einzelne Fälle nachweis­licher Vierfachinfektionen gebe.

Epidemiologe Zeeb nimmt an, dass der Anteil von Reinfektionen an allen auftretenden Infektionen im ein­stelligen Prozentbereich liegt, die Tendenz sei aber steigend. „Aufgrund des milderen Verlaufs bei Omikron und der damit verbundenen geringer aufgebauten Immunantwort ist die wiederholte Infektion jetzt häufiger der Fall, und mit zunehmendem Abstand zur letzten Impfung wird dies wahrscheinlicher.“ Wegen der auf­gebauten Immunität verliefen spätere Infektionen tendenziell milder, es gebe aber wie immer auch Ausnahmen.

Immunologe Radbruch betonte, dass geimpfte Genesene einen sehr viel effektiveren Schutz vor Reinfektion hätten als nur Genesene oder nur Geimpfte. Wichtig für den weiteren Verlauf dürfte auch noch eine Frage sein, die in der Modellierung nicht berücksichtigt ist: Kommt noch eine Variante auf, die den bisherigen Immunschutz unterläuft?

Christine Falk, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Immunologie (DGfI), hatte kürzlich gesagt, dass das Spikeprotein von SARS-CoV-2 seit dem Ausbruch in Wuhan in seinem unteren Bereich sehr konstant geblie­ben sei. Weitere Veränderungen dahingehend, dass auch diese Bereiche für wichtige Teile des Immunsystems, T-Zellen, nicht mehr erkennbar sind, bezeichnete sie als sehr unwahrscheinlich.

dpa

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