Vermischtes

Menschliche Gesundheit litt unter dem wärmsten Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen

  • Freitag, 10. Januar 2025
/C3S, ECMWF
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Reading – Das Jahr 2024 war das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1850. Gleichzeitig war es das erste Jahr, in dem die globale Durchschnittstemperatur 1,5 °C über dem vorindustriellen Niveau lag. Das geht aus dem Bericht „Copernicus Global Climate Highlights 2024“ des Copernicus Climate Changes Service (C3S) hervor, der heute veröffentlicht wurde.

Auf der Klimakonferenz der Vereinten Nationen (UN) in Paris im Jahr 2015 hatten sich die Mitgliedstaaten der UN darauf verständigt, Anstrengungen zu unternehmen, um die globale Erwärmung auf 1,5 °C gegenüber der vorin­dustriellen Zeit zu begrenzen. Dieses Ziel bezieht sich allerdings auf einen Mittelwert aus 20 Jahren, sodass das Pariser Klimaziel im vergangenen Jahr offiziell noch nicht verfehlt wurde.

Dem Bericht zufolge lag die globale Durchschnittstemperatur von 15,1 °C im vergangenen Jahr um 1,6 °C über dem Mittel der Jahre 1850 bis 1900 sowie um 0,72 °C über dem Durchschnitt von 1991 bis 2020. Im Vergleich zum Jahr 2023 – dem bislang wärmsten Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen – stieg die Temperatur um 0,12 °C an.

Besonders hoch war der Anstieg der Erderwärmung in Europa. Hier lag die Durchschnittstemperatur des vergan­genen Jahres bei 10,69 °C und damit um 1,47 °C über dem Durchschnitt der Jahre 1991 bis 2020.

In zahlreichen Analysen und Studien ist belegt, dass Hitze die menschliche Gesundheit beeinträchtigt. Hitze­perioden sind mit Übersterblichkeit assoziiert, mit einer erhöhten Zahl notfallbedingter Krankenhausaufnahmen sowie mit mehr Herzinfarkten, Thrombosen und Schlaganfällen.

/C3S, ECMWF
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„Extreme Temperaturen und hohe Luftfeuchtigkeit tragen zu erhöhtem Hitzestress bei“, heißt es auch in dem Copernicusbericht. „In weiten Teilen der nördlichen Hemisphäre gab es im Jahr 2024 mehr Tage mit mindestens ‚starker Hitzebelastung‘ als im Durchschnitt und in einigen Gebieten gab es mehr Tage mit ‚extremer Hitzebelastung‘ als im Durch­schnitt.“

Im Jahr 2024 erreichte die Fläche der Erde, die von mindestens „schwe­rem Hitzestress“ betroffen war, am 10. Juli einen neuen Jahresrekord, als rund 44 Prozent der Erde von „schwerem“ bis „extremem Hitzestress“ betroffen waren. „Dies sind fünf Prozent mehr der Erdoberfläche als der durchschnittliche jährliche Höchststand“, so das C3S.

Hintergrund der schnell voranschreitenden Erderwärmung ist der Analyse zufolge der weitere Anstieg der Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre. „Die atmosphärischen Konzentrationen von Kohlendioxid und Methan stiegen weiter an und erreichten im Jahr 2024 Rekordwerte von 422 Teilen pro Million (ppm) beziehungsweise 1.897 Teilen pro Milliarde (ppb)“, heißt es in dem Bericht. „Die Kohlendioxidkonzentration war 2024 um 2,9 ppm höher als 2023, während die Methankonzentration um drei ppb höher war.“

Rekord bei Wasserdampf in der Atmosphäre

Einfluss auf die menschliche Gesundheit haben zudem Extremwetterereignisse wie Starkregen, Stürme und Überschwemmungen, die durch die Erderwärmung immer wahrscheinlicher werden. Ein Grund dafür ist, dass die erwärmte Luft mehr Wasser aufnehmen kann.

So erreichte dem Bericht zufolge auch die Gesamtmenge des Wasserdampfs in der Atmosphäre im Jahr 2024 ein Rekordniveau. Sie lag um etwa fünf Prozent über dem Durchschnitt der Jahre 1991 bis 2020. Die Meeresober­flächentemperatur lag 2024 ebenfalls so hoch wie noch nie: bei 20,87 °C und damit 0,51 °C über dem Durch­schnitt von 1991 bis 2020.

„In der Antarktis erreichte die Meereisausdehnung, nachdem sie in acht Monaten des Jahres 2023 Rekordtiefs für diese Jahreszeit erreicht hatte, über weite Strecken des Jahres 2024 erneut Rekord- oder rekordnahe Tiefstwerte“, heißt es weiter in dem Bericht.

„Von Juni bis Oktober war die monatliche Ausdehnung die zweitniedrigste nach 2023 und die niedrigste im November. Bei ihrem jährlichen Minimum im Februar war die monatliche Ausdehnung die drittniedrigste in den Satellitenaufzeichnungen.“

Nie dagewesene Hitzewellen

„Jedes Jahr des letzten Jahrzehnts gehörte zu den zehn wärmsten seit Beginn der Aufzeichnungen“, erklärte Samantha Burgess, Strategic Lead for Climate im Europäischen Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage (EZMW), das den Copernicus Climate Change Service im Auftrag der Europäischen Kommission durchführt.

„Wir stehen nun kurz davor, die im Pariser Abkommen festgelegte Grenze von 1,5 °C zu überschreiten. Der Durchschnitt der letzten beiden Jahre liegt bereits über diesem Wert. Diese hohen globalen Temperaturen haben zusammen mit den Rekordwerten des atmosphärischen Wasserdampfs im Jahr 2024 zu noch nie dagewesenen Hitzewellen und starken Regenfällen geführt, die Millionen von Menschen in Not bringen.“

Vor allem die erste Hälfte des vergangenen Jahres war weltweit überdurchschnittlich heiß. „Die erste Jahreshälfte war besonders warm, wobei in jedem Monat weltweit höhere Temperaturen gemessen wurden als im gleichen Monat eines jeden vorherigen Jahres“, erklärte C3S.

„Dies trug zu einer 13-monatigen Serie von monatlichen Rekordtemperaturen bei, die im Juni endete.“ Auch ab Juli blieben die globalen Temperaturanomalien weit über dem Durchschnitt. Der August 2024 war genauso warm wie der August 2023 und die anderen Monate von Juli bis Dezember waren nach 2023 die zweitwärmsten seit Beginn der Aufzeichnungen.

„Bemerkenswert ist, dass der 22. Juli mit einer globalen Temperatur von 17,16 °C der heißeste Tag war, der jemals aufgezeichnet wurde“, so C3S. Zwar sei die im Pariser Abkommen festgelegte Grenze bislang nicht überschritten. Die globalen Temperaturen stiegen jedoch stärker an als jemals zuvor in der Geschichte der Menschheit.

„Wir leben in einer neuen Welt“

Mojib Latif vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel (GEOMAR) erklärte dem Science Media Center (SMC) die Ursachen für die starke Erwärmung. „Auf der einen Seite gibt es den langfristigen anthropogenen Erwär­mungstrend und auf der anderen Seite die kurzfristigen natürlichen Schwankungen“, so Latif. „Deswegen war es wegen des El Niños im tropischen Pazifik zu erwarten, dass sowohl das Jahr 2023 als auch 2024 neue globale Temperaturrekorde bringen würden.“

Sehr klar sei dabei, dass „alle Trends der vergangenen Jahrzehnte ohne den menschlichen Einfluss nicht zu er­klären“ seien. „Wir stecken mitten im anthropogenen Klimawandel und der bestimmt im zunehmenden Maße die Klimaentwicklung“, betonte Latif. „Wir leben inzwischen in einer neuen Welt, die wir nicht kennen und an die wir nicht angepasst sind.“

„Wie lange wollen wir noch mit dem Feuer spielen?“

Karsten Haustein vom Institut für Meteorologie der Universität Leipzig äußerte in der Folge der C3S-Analyse seine Erwartungen an Politik und Gesellschaft. „Ich erwarte endlich eine ehrliche, redliche, solidarische und emphatische Politik, die weder mit niederträchtiger Sündenbockrhetorik Diskursvandalismus betreibt noch Verharrungslobbyisten nach dem Mund redet, nur um am Status Quo so wenig wie möglich ändern zu müssen“, sagte Haustein.

Das setze nicht nur massiv die demokratischen Strukturen aufs Spiel, sondern raube heutigen und künftigen Generationen schlicht und ergreifend die Zukunft. „Es mangelt längst nicht mehr an Wissen, es mangelt am Willen, Probleme zu lösen“, so Haustein. „Wie lange wollen wir – buchstäblich – noch mit dem Feuer spielen?“

fos

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