Vermischtes

Mortalität durch Herzerkrankungen steigt wieder

  • Dienstag, 10. September 2024
/picture alliance, Sebastian Kahnert
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Berlin – Nach einer Phase leichten Rückgangs sterben wieder mehr Menschen in Deutschland aufgrund von Herzkrankheiten. Dem heute veröffentlichten Deutschen Herzbericht ­– Update 2024 zufolge, der sich auf das Jahr 2022 bezieht, starben 216.944 Menschen an den Folgen einer Herzkrankheit. Im Vergleich dazu waren es 2021 nur 205.581 Todesfälle.

Der Anstieg gegenüber dem Vorjahr stelle zwar in der Gesamtschau noch keine Trendwende dar, bedürfe aber der genaueren Analyse, betonte der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Herzstiftung, Thomas Voigtländer.

Ganz klar müsse es das Ziel aller für die herzmedizinische Versorgung verantwortlichen Institutionen sein, die Sterblichkeit durch Verbesserungen in Prävention, Therapie und Rehabilitation von Herz-Kreislauf-Erkrankun­gen zu senken.

Die Herzstiftung als Patientenorganisation sowie die herzmedizinischen Fachgesellschaften für Kardiologie (DGK), für Herzchirurgie (DGTHG), für Pädiatrische Kardiologie und Angeborene Herzfehler (DGPK) sowie für kardiovaskuläre Prävention und Rehabilitation (DGPR) seien sich in Anbetracht dieser Zusammenhänge und Entwicklungen einig, dass mehr in die kardiovaskuläre Vorsorge investiert werden müsse.

Der jährlich herausgegebene Deutsche Herzbericht ist die umfangreichste Leistungserhebung der kardiologi­schen, kinderkardiologischen und herzchirurgischen Versorgung in Deutschland und zeigt, wie sich Morbidität und Mortalität sowie die verschiedenen Therapieoptionen bei Herzerkrankungen entwickeln.

Wesentlichen Einfluss darauf hat die zunehmende Alterung der Gesellschaft. So nahm im Vergleichszeitraum von 2011 bis 2022 der Anteil der über 65-Jährigen von 20,7 Prozent auf 22,1 Prozent zu, während der Anteil der über 80-Jährigen von 5,3 auf 7,3 Prozent stieg.

„Dieser Trend wird in den nächsten Jahren noch weiter anhalten, da die geburtenstarken Jahrgänge der 1950er und -60er nun vermehrt in diesen Altersgruppen ankommen“, erläuterte heute Stephan Baldus, Past-Präsident der DGK.

„Da die Hauptgruppe der Herzpatientinnen und -patienten in diesen Altersgruppen zu finden sind, ist in Zu­kunft mit einer Zunahme der Erkrankungsfälle zu rechnen. Hierauf müssen wir uns in Deutschland dringend einstellen und die Versorgungslage noch weiter verbessern.“

Positiv bewerten die Herzstiftung sowie die Fachgesellschaften, dass im Zuge des Kabinettsbeschlusses zum Gesunden-Herz-Gesetz die bisher unzureichend berücksichtigte kardiovaskuläre Prävention in Deutschland mehr öffentliche Aufmerksamkeit erhalte. Auch der Herzbericht offenbare ein Defizit im Bereich der Präven­tion und Rehabilitation.

Obwohl allgemein bekannt sei, dass Herzschwäche und auch der plötzliche Herztod überwiegend durch an­dere Herzerkrankungen und Lebensstilfaktoren wie Bewegungsmangel oder Übergewicht entstünde, finde dies noch viel zu wenig Beachtung, meinen die Vertreter der Fachgesellschaften.

Dies zeige sich auch im aktuellen Herzbericht: So gab es 2022 bei 446.814 stationären Behandlungsfällen wegen Herzinsuffizienz gab es nur 8.349 gezählte Rehabilitationen mit den Hauptdiagnosen Kardiomyopa­thie/Dekompensierte Herzinsuffizienz.

„Herzschwäche entsteht überwiegend durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen und die genannten Risikofaktoren, die alle einer primären, sekundären und tertiären Prävention zugänglich sind“, sagte Eike Langheim, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Prävention und Rehabilitation von Herz-Kreislauferkrankungen.

Die kardiologische Rehabilitation unterliege hohen Qualitätsstandards und biete einen multimodalen und bio-psycho-sozialen Behandlungsansatz der Weltgesundheitsorganisation. „Dieser Ansatz ist auch sinnvoll bei Menschen mit einem hohen Risikoprofil, ohne dass bereits Herz-Kreislauf-Erkrankungen aufgetreten sind.“

Angesichts der Diskrepanz zwischen der Zahl der vollstationären Krankheitsfälle von 1.574.352 im Jahr 2022 und den nur ungefähr zur Hälfte erfassten Patientenzahlen der ambulanten und stationären kardiologischen Rehabilitation von rund 93.000 Patientinnen und Patienten schätzt die DGPR, dass nur jede/r neunte bis zehnte Herzpatient eine kardiologische Rehabehandlung erreicht.

Krankenhausaufnahmen mit leichter Zunahme

Insgesamt sind die vollstationären Krankenhausaufnahmen wegen Herzkrankheiten 2022 leicht angestiegen. „Die vollstationären Krankenhausaufnahmen bewegen sich weiterhin auf einem hohen Niveau, allen voran bei der Koronaren Herzerkrankung (KHK), den Herzrhythmusstörungen und der Herzinsuffizienz, die zusamm­en­genommen rund 1,4 Millionen vollstationäre Fälle ausmachen“, betonte Voigtländer. Allein die KHK habe 2022 zu 538.277 Krankenhausaufnahmen geführt, Herzrhythmusstörungen zu 460.962 Klinikeinweisungen.

Bei Männern setzt dem Bericht zufolge der Anstieg der Krankenhausaufnahmen wegen KHK früh ein: mit dem 45. bis 50. Lebensjahr. Bei den Herzrhythmusstörungen setzt ein Anstieg ab dem 50. bis 55. Lebensjahr ein. „Umso wichtiger ist eine frühzeitige Erkennung und Behandlung dieser Herzkrankheiten, bevor es zur Not­wendigkeit von Eingriffen kommt“, so Voigtländer, Ärztlicher Direktor des Agaplesion Bethanien-Kranken­hauses in Frankfurt am Main.

Kardio-MRT und die Computertomografie-Koronarangiografie (CCTA), die 2024 nach einem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) aufgenommen wurde, könnten Veränderungen der Herzkranzgefäße und deren Auswirkung auf die Durchblutung des Herzmuskels frühzeitig erfassen. „Dadurch reduzieren wir invasive Herzkatheterdiagnostik und stationäre Aufenthalte“, erklärte er.

Der diesjährige Fokus des Deutschen Herzberichts – Update 2024 liegt auf der Herzschwäche (Herzinsuffi­zienz). Das habe mehrere Gründe, so Voigtländer. Zum einen stelle die Herzinsuffizienz noch vor der KHK und den Herzrhythmusstörungen die häufigste Herzerkrankung für vollstationäre Krankenhausaufnahmen dar, zum anderen verursache sie für das Gesundheitswesen enorme Kosten.

Besonders auffällig sei auch der Anstieg der Todesrate der Herzinsuffizienz. Sie sei in den meisten Fällen das Endstadium von verschiedenen anderen Herzkrankheiten wie KHK/Herzinfarkt, Herzklappenerkrankungen, Herzrhythmusstörungen und angeborenen Herzfehlern.

Vier Millionen Deutsche mit Herzinsuffizienz

Bis zu vier Millionen Menschen leiden in Deutschland an Herzinsuffizienz. Sie ist die dritthäufigste Todesur­sache und eine der häufigsten Ursachen für plötzlichen Herztod, da eine schwache Pumpleistung des Herzens Herzrhythmusstörungen begünstigt. Wer an Herzschwäche leidet, hat häufig eine schlechtere Prognose: Etwa 50 Prozent aller an einer Herzschwäche erkrankten Menschen versterben innerhalb eines Zeitraums von sechs Jahren nach der Diagnose.

Hauptursachen der Herzschwäche sind die KHK und Bluthochdruck. Bluthochdruck ist zugleich stationär und hausärztlich die häufigste Begleitdiagnose der Herzinsuffizienz. Weitere wichtige Grund- und Begleiterkran­kungen der Herzschwäche sind Herzrhythmusstörungen (Vorhofflimmern/Vorhofflattern), Herzklappener­krankungen (Mitralklappeninsuffizienz und Aortenklappenstenose), angeborene Herzfehler und Herzmuskel­erkrankungen wie Myokarditis.

Vielen Herzschwächepatienten kommt eine Therapie mit implantierbaren elektronischen Geräten wie CRT-Systemen (CRT: kardiale Resynchronisationstherapie) bei zu langsamem/schwachen Herzschlag zugute. Um sie bei einem Risiko lebensbedrohlicher Herzrhythmusstörungen prophylaktisch vor Herzstillstand zu schüt­zen, können Defibrillatoren (ICD) oder ein CRT-D-Typ mit Defi-Funktion implantiert werden. 2022 erfolgten laut Herzbericht 36.937 ICD-Eingriffe. Es gab zudem 7.388 CRT-P- und 15.164 CRT-D-Operationen.

Zu einem Rückgang der Operations- und Interventionszahlen kam es auch im COVID-19-Pandemiejahr 2022, bei den Herzschrittmachern um 4,9 Prozent und bei ICD um 13,3 Prozent. Damit setzte sich die bereits für die Pandemiejahre 2020 und 2021 dokumentierte COVID-19-bedingte Rückläufigkeit in der kardiologischen und herzchirurgischen Versorgung von Erwachsenen und Kindern, insbesondere bei den sogenannten elektiven Eingriffen und in der kardiologischen Reha, fort.

Von 2018 zu 2022 kam es teilweise zu einer moderaten, aber teilweise auch zu einer deutlichen Abnahme bei herzchirurgischen und kardiologischen Eingriffen wie Koronarangiographien, Herzgefäßaufdehnungen durch Stent/Ballon, Schrittmacher-/ICD-Implantationen beziehungsweise isolierten Koronaroperationen.

„Diese rückläufigen Zahlen lassen darauf schließen, dass auch noch in 2022 Patienten entweder aus Angst vor einer Infektion einen Krankenhausaufenthalt vermieden oder umgekehrt Kliniken ihre Aufnahmen zweitweise auf Notfälle beschränkt haben und selbst für diese nicht immer ausreichende Kapazitäten vorhalten konnten“, so Voigtländer. „Welche Effekte diese vermeintliche Nichtinanspruchnahme der Krankenhausversorgung auf kardiovaskuläre Sterblichkeit haben wird, bedarf der Analysen“, so der Herzstiftungs-Vorsitzende.

Sichtbar wird im Deutschen Herzbericht auch in diesem Jahr eine in Deutschland weiterhin unterschiedliche Versorgungsdichte mit Kliniken, die ein Katheterlabor oder eine Chest-Pain-Units (CPU) vorhalten. Es zeigen sich regionale Unterschiede in der Sterblichkeit und den Krankenhausaufnahmen wegen Herzkrankheiten. Östliche Bundesländer haben danach weiterhin die höchste Sterblichkeit durch KHK und Herzinfarkt.

So haben (altersbereinigt) Sachsen-Anhalt mit 181 KHK- und 65 Herzinfarkt-Sterbefällen pro 100.000 Einwohnern (EW) die höchste Sterbeziffer im Jahr 2022, gefolgt von Mecklenburg-Vorpommern mit 180 KHK- und 68 Herzinfarkt-Gestorbenen und Sachsen mit 157 KHK- und 56 Herzinfarkt-Gestorbenen pro 100.000 EW. Am niedrigsten sind die Sterbeziffern für KHK und Herzinfarkt in Hamburg (KHK: 91/Herzinfarkt: 34), Nordrhein-Westfalen (111/33) und in Baden-Württemberg (121/50).

Bei der Herzinsuffizienz sind die höchsten Sterbeziffern in Sachsen-Anhalt mit 53 und Thüringen mit 50 Gestor­benen pro 100.000 EW, in Niedersachsen mit 48 und in Bremen 43 mit Gestorbenen pro 100.000 EW. Als mögliche Einflussfaktoren gelten Raucheranteil, Erwerbsstatus, Arbeitslosenquote und die Häufigkeit von Begleiterkrankungen.

ER

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