Nachholbedarf bei Schulgesundheitspflege in Deutschland

Berlin – Die bundesweite Beschäftigung von Schulgesundheitsfachkräften (SGFK) würde deutschen Schulen viele Vorteile bringen. Darauf verweist die Deutsche Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin (DGSPJ).
„Wir haben mittlerweile den Beleg, dass sich der Einsatz von SGFK in multiprofessionellen Teams mehrfach rechnet“, sagte DGSPJ-Präsidentin Heidrun Thaiss.
Einer Erhebung aus dem vergangenen Jahr zufolge beobachteten 75 Prozent des Schulpersonals nach einem zwölfmonatigen Einsatz von Schulgesundheitsfachkräften eine Verbesserung der Gesundheitskompetenz der Kinder, 90 Prozent berichteten von Fortschritten bei der Früherkennung gesundheitlicher Probleme und 88 Prozent sahen eine bessere Versorgung chronisch kranker Kinder.
Auch die Zahl der Rettungsdiensteinsätze und notfallmäßiger Krankenhausaufenthalte fällt demnach an Schulen, die bereits SGFK beschäftigen, signifikant niedriger aus, wie die DGSPJ mitteilt.
Bei kleineren Beschwerden der Schülerinnen und Schüler seien nach Ausschluss eines medizinischen Notfalls oft einfache Maßnahmen oder beruhigende und ermutigende Worte ausreichend, berichtete Nadine Haunstetter, die als Schulgesundheitsfachkraft an drei Stuttgarter Schulen tätig ist.
In sehr vielen Fällen könnten die Kinder aber auch vor Ort professionell versorgt und beobachtet werden. SGFK könnten anschließend entscheiden, ob eine weitere ärztliche Behandlung notwendig sei. Mithilfe der SGFK könnten Kinder oftmals wieder in den Unterricht zurückkehren und die Eltern müssten die Arbeitsstelle nicht verlassen, betonte Haunstetter, die ausgebildete Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin ist.
Neben der Versorgung kleinerer Verletzungen, akut auftretender Erkrankungen oder psychischer Belastungen sind die speziell ausgebildeten SGFK auch für die pflegerische und medizinische Begleitung von Kindern und Jugendlichen mit chronischen Erkrankungen zuständig. Dies ermöglicht Betroffenen, am Schulalltag teilzuhaben und erleichtert auch die Wiedereingliederung nach längeren Erkrankungen oder Krankenhausaufenthalten.
SGFK können etwa Kinder mit Diabetes bei der regelmäßigen Blutzuckerkontrolle und Insulintherapie unterstützen und beraten Betroffene, aber auch die Lehrkräfte und Eltern im Umgang mit der Erkrankung im Schulalltag.
„Die Kinder sollen in ihrer Selbstständigkeit gestärkt werden und trotz der Erkrankung die Möglichkeit eines sicheren und möglichst unbeschwerten Schulbesuchs haben“, heißt es vom DGSPJ. Dazu sollten SGFK idealerweise mit dem weiteren Schulpersonal zusammenarbeiten und als Teil eines multiprofessionellen Teams verstanden werden.
25 Prozent chronisch kranke Kinder im Schulalltag, über 30.000 Kinder mit Diabetes und weitere besondere Versorgungsbedarfe „sollten eigentlich ein Weckruf für die Politik sein“, mahnte Thaiss an. Dabei gibt es dem DGSPJ zufolge erst 150 Schulgesundheitsfachkräfte in vier deutschen Bundesländern – im europäischen und internationalen Vergleich hinke die Zahl deutlich hinterher.
Daneben sind SGFK auch für die Prävention zuständig. Sie setzen sich für gesunde Rahmenbedingungen im Schulalltag ein und überprüfen die Schulverpflegung, geben Impulse zur Verbesserung und begleiten Veränderungen im Austausch mit der Schulgemeinschaft.
„Gesundheit und ihre Förderung muss zur Stärkung der Gesundheitskompetenz systemisch im Schulalltag verankert werden – für alle und damit auch für ein positiveres Bildungs-Outcome. Schulgesundheitsfachkräfte können dazu wesentlich beitragen“, betonte Thaiss.
„Ich hoffe, dass es in Deutschland bald eine strukturierte, zügige und flächendeckende Einführung von SGFKs gibt“, sagte Haunstetter. Erforderlich sei dafür aber eine einheitliche Finanzierung und der Aufbau „struktureller Pfeiler“, damit nicht jedes Bundesland immer wieder neue Pilotprojekte starten müsse.
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