Vermischtes

Palliativversorgung: Qualität und Kosten variieren regional stark

  • Mittwoch, 5. Juni 2024
/David Pereiras, stock.adobe.com
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Jena – Große regionale Unterschiede bei der medizinischen Versorgung am Lebensende zeigt eine vom Universitätsklinikum Jena und der Barmer vorgenommene Datenauswertung.

Wenn ein Mensch so schwer erkrankt ist, dass Heilung nicht mehr möglich und seine Lebenserwartung begrenzt ist, dann muss eine angemessene medizinische Versorgung auf die Erhaltung der Lebensqualität in der verbleibenden Zeit zielen. Um diesem Anspruch in Deutschland flächendeckend gerecht zu werden, ist das Gesundheitssystem in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten um neue palliative Versorgungsstrukturen erweitert worden.

Dazu gehören Palliativstationen in Krankenhäusern, Hospize und vor allem ambulante Palliativteams. Für diese Teams gelten spezielle Zulassungs- und Vergütungsregelungen, die in Einzelverträgen zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern geregelt werden.

Um die bestehende Versorgung zu evaluieren, wertete das Universitätsklinikum Jena gemeinsam mit dem Barmer Institut für Gesundheitssystemforschung (bifg) auf Basis von Routinedaten der Kasse die Inanspruchnahme, Qualität und Kosten der verschiedenen Versorgungsformen aus. Der Innovationsausschuss beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) fördert das Versorgungsforschungsprojekt.

Im interaktiven Portal des Barmer Institutes sind die aufbereiteten Daten jetzt als pallCompare Monitor öffentlich verfügbar. Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Auswertung könnten Hinweise zur Verbesserung der Palliativversorgung geben, so die Kasse.

Deutschlandweit erhält demnach inzwischen mehr als die Hälfte der ambulanten Patientinnen und Patienten eine spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV). Diese SAPV war ursprünglich als Versorgungsform für Fälle mit komplexem Symptomgeschehen und besonderem Zuwendungsbedarf gedacht, kommt jetzt aber bereits in der Mehrzahl der Fälle zum Einsatz.

Die Projektleiterin Antje Freytag vom Institut für Allgemeinmedizin des Uniklinikums Jena sieht dafür drei Gründe: „Die patientenseitige Nachfrage nach SAPV steigt, die meist von Hausarztpraxen getragenen allgemeinen Versorgungsstrukturen vor Ort brechen weg und zudem ist es finanziell attraktiv, auch leichte Fälle in die SAPV aufzunehmen.“

Ein weiteres Ergebnis der Datenanalyse: Die verschiedenen Formen ambulanter und stationärer Hospiz- und Palliativversorgung werden regional sehr unterschiedlich in Anspruch genommen. Auch Qualität, Kosten und Kosteneffektivität der Versorgung variieren regional stark. Während im Zeitraum von 2016 bis 2021 zum Beispiel in Bayern 36,3 Prozent der palliativ versorgten Versicherten im Krankenhaus verstarben, waren es in Westfalen-Lippe nur 23,2 Prozent.

Dabei sticht der Bereich der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) nicht nur bei diesem Qualitätsindikator für gute palliative Versorgung hervor. Versorgte Menschen erhalten dort in den letzten 30 Lebenstagen auch die wenigsten belastenden Behandlungen – zu denen etwa Rettungsdiensteinsätze, Krankenhauseinweisungen, Intensivbehandlungen, Chemotherapien oder künstliche Ernährung zählen. Und das bei der im Vergleich höchsten Kosteneffektivität, wie die Barmer betont.

Kennzeichnend für Westfalen-Lippe sei die integrierte Struktur der ambulanten Palliativversorgung, die über einen besonderen Versorgungsvertrag geregelt ist. Während anderswo allgemeine und spezialisierte Palliativversorgung streng getrennt voneinander organisiert und vergütet werden, gibt es in Westfalen-Lippe palliativmedizinische Konsiliardienste. Sobald eine palliative Versorgung notwendig wird, können diese die Hausärztinnen und Hausärzte in der Versorgung von Menschen am Lebensende flexibel unterstützen.

Die KV-weite Verbreitung und Bekanntheit des Versorgungsvertrags fördere die Zusammenarbeit aller Beteiligten. Der in die hausärztliche Versorgung integrierte Konsiliardienst arbeite zudem deutlich kosteneffektiver, betont die Kasse. So falle in Westfalen-Lippe je Fall nur ein Fünftel der Kosten an, die im Bundesdurchschnitt für die SAPV zu verzeichnen sind.

Wie die Barmer betont, lässt der demografische Wandel den Bedarf an palliativer Versorgung steigen und führt gleichzeitig zu sinkenden personellen Ressourcen dafür – effiziente Versorgungsmodelle seien also unabdingbar.

„Der pallCompare Monitor und das integrierte Versorgungsmodell Westfalen-Lippe liefern maßgebliche Hinweise, wie viele Menschen am Lebensende mit gutem Ergebnis kosteneffektiv versorgt werden können“, so Freytag. Um die Evaluation der Palliativversorgung erweitern zu können, spricht sich ihr Projektteam für eine Fortführung des Datenportals und eine Ausdehnung der Datenbasis auf weitere Krankenkassen aus.

aha

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