Vermischtes

Patientenmörder: Urteil im Prozess gegen Vorgesetzte erwartet

  • Montag, 19. September 2022
Sebastian Bührmann, Vorsitzender Richter am Land­ge­richt Oldenburg /picture alliance, dpa-Pool, Sina Schuldt
Sebastian Bührmann, Vorsitzender Richter am Land­ge­richt Oldenburg /picture alliance, dpa-Pool, Sina Schuldt

Oldenburg – Im Prozess gegen sieben ehemalige Vorgesetzte des Patientenmörders Niels H. hat das Land­ge­richt Oldenburg für morgen eine erneute Zwischenbewertung angekündigt. Die Stellungnahme betreffe so­wohl die Fälle im Klinikum Delmenhorst als auch die in Oldenburg, sagte der Vorsitzende Richter Sebastian Bührmann heute. Er kündigte zudem an, dass Mitte Oktober die Plädoyers und am 25. Oktober das Urteil gesprochen werden könnten.

Für vier angeklagte Ex-Vorgesetzte aus dem Klinikum Oldenburg hatte das Landgericht in einer vorläufigen Einschätzung bereits im Juli einen Freispruch in Aussicht gestellt. Die Beweisaufnahme habe ein vorsätzliches Handeln der Angeklagten „nicht mit einer für eine Verurteilung ausreichenden Gewissheit belegt“, hieß es. Das Gericht könnte am Dienstag zu einer anderen Einschätzung kommen. Die sieben Angeklagten sind wegen Bei­­hilfe zum Totschlag beziehungsweise versuchten Totschlags durch Unterlassen angeklagt.

Hintergrund des Verfahrens sind die Verbrechen des Ex-Pflegers Niels H.. Er tötete Patienten, indem er ihnen nicht verordnete Medikamente spritzte. 2019 wurde er wegen 85 Morden zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Mordserie begann 2000 im Klinikum Oldenburg und endete 2005 im Klinikum Delmenhorst.

Mit dem Verfahren gegen die ehemaligen Vorgesetzten – drei Ärzte, drei leitende Pflegerinnen und Pfleger und ein Ex-Geschäftsführer – will das Gericht klären, ob diese eine Mitverantwortung tragen. Im Prozess geht es um sechs Morde und zwei Mordversuche.

Ein ehemaliger Pfleger am Klinikum Oldenburg beschrieb heute als Zeuge, wie frühere Kollegen und Vorge­setz­te zwar über H. redeten und Verdacht schöpften, aber nicht handelten. Sein damals bester Freund habe ihm immer wieder von Ungereimtheiten in Zusammenhang mit H. und auffällig vielen Reanimationen berich­tet, als er selbst schon nicht mehr auf der Station arbeitete.

„Da hat sich eine Sprachlosigkeit und Fassungslosigkeit entwickelt“, sagte er. Der Freund habe ihm auch be­richtet, dass die Zahl der Reanimationen in der Herzchirurgie wieder zurückging, als Högel in die Anästhesie versetzt worden sei. „Jetzt geht es in der Anästhesie los“, habe der Freund damals zu ihm gesagt.

Tätig geworden sei aber niemand. Stattdessen habe sein damaliger Freund ihn 2007 gebeten – da war H. schon in Delmenhorst aufgeflogen – anonym Anzeige zu erstatten, „weil wahrscheinlich viel mehr Morde passiert“ seien. Sein Freund und andere Kollegen hätten sich nicht getraut.

2014 habe er sich tatsächlich zu einer Anzeige entschieden. Seine ehemaligen Kollegen hätten sich deshalb inzwischen von ihm abgewendet, keiner von ihnen wolle mehr über die Fälle reden. „Ich bin fassungslos, dass so viele Kollegen so vergesslich geworden sind und nicht den Mut haben auszusagen“, sagte der Zeuge.

dpa

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