Psychische Gesundheit am Arbeitsplatz: Ansprache von Führungskräften ist sehr wichtig

Berlin – Etwa der Hälfte der Arbeitnehmer geht es gut bei der Arbeit – die Arbeitsmediziner sprechen von „engagiertem Wohlbefinden“. Das ist der Tenor eines Fachsymposiums zum Thema „Psychische Gesundheit in der Leistungsgesellschaft“, das heute im Rahmen der 61. Wissenschaftlichen Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM) stattfand.
Bei den Kriterien, die sich positiv auf das Wohlbefinden und damit auf die psychische Gesundheit auswirkten, stehe die „organisationelle Fairness“ des Arbeitgebers an aller erster Stelle, erklärte Joachim Fischer, Mannheim Institute of Public Health, Social and Preventive Medicine (MIPH).
Nach der organisationellen Fairness beförderten Autonomie und Arbeitsvielfalt die psychische Gesundheit am Arbeitsplatz. Lohnerhöhungen haben Fischer zufolge dagegen nur geringe Auswirkungen. In jedem Unternehmen gebe es verschiedene Persönlichkeitstypen, die alle in dieser Vielfalt auch gebraucht würden.
Diese sind: Der Vorangehende, der Kollegiale, der Organisierte, der Mitspielende und der Begeisterungsfähige. All diese unterschiedlichen Persönlichkeiten brauchten eine unterschiedliche Ansprache durch ihre Führungskräfte, um optimale Leistungen zu erbringen und psychisch gesund zu bleiben, so Fischer.
„Stigmatisierung psychischer Erkrankungen ist im Arbeitsleben weit verbreitet und hindert viele Betroffen daran, sich Hilfe zu suchen“, erklärte Ulrich Birner, Head of Psychosocial Health and Well-Being der Siemens AG. Wenngleich es die Coronapandemie seines Erachtens leichter gemacht habe, über psychische Belastungen zu sprechen, sei es grundsätzlich wichtig, das Schweigen zu durchbrechen.
Die Siemens AG steuert unter anderem mit einer Medienkampagne gegen: Plakate werden in Fluren oder im Aufzug aufgehängt, um Bewusstsein zu schaffen, die eigene Haltung zu reflektieren und das Verhalten dann bestenfalls zu ändern. Darüber hinaus bietet das große Unternehmen E-Learning-Angebote für Führungskräfte, die in Form von Serious Games aufbereitet sind.
Denn Birner zufolge ist „gerade die persönliche Ansprache von Führungskräften wichtig, um die psychische Gesundheit im Unternehmen zu fördern“ und so auch psychischen Erkrankungen vorzubeugen. Es fehle grundsätzlich aber immer noch an Standards zur Förderung der psychischen Gesundheit am Arbeitsplatz anhand von Leitlinien, die jedes Unternehmen dann anwenden könnten.
Die Sicht von Betroffenen, die trotz psychischer Erkrankungen arbeiten, brachte Armin Rösl, Sprecher der Deutschen Depressionsliga zum Ausdruck. „Betroffene wollen von Kollegen und Führungskräften angesprochen werden auf ihre Erkrankung – aus eigenem Antrieb schaffen sie das oft nicht.“
Man könne auch aus einer Depression wieder herauskommen, beispielsweise nach einer Therapie oder einem Klinikaufenthalt und fühle sich oft gestärkt nach einer Krise“, betonte Rösl. Wichtig sei, dass Betroffene den alten Job wiedererhielten und nicht irgendwohin abgeschoben würden.
Weil Führungskräfte eine Fürsorgepflicht gegenüber ihren Mitarbeitern haben, bietet die Deutsche Depressionsliga kostenlose Arbeitgeberseminare an. Führungskräfte, Personalverantwortliche und Betriebsräte sollen damit unterstützt werden, die Krankheit Depression besser zu verstehen, erste Signale früher zu erkennen und den richtigen Ton im Umgang mit den betroffenen Mitarbeitern zu finden.
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