Vermischtes

RKI: Weitere Botulismus-Fälle nach Magen­behandlung mit Botulinumtoxin gemeldet

  • Dienstag, 14. März 2023
/picture alliance, Zoonar, Stocktrek Images
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Berlin/Stockholm – Die Zahl der bekanntgewordenen Vergiftungsfälle in Deutschland nach speziellen Magen­be­hand­­lungen mit Botulinumtoxin in der Türkei ist auf zwölf gestiegen. Sie verteilen sich auf fünf Bundeslän­der, wie das Robert-Koch-Institut (RKI) auf Anfrage mitteilte.

Um welche es sich handelt, wurde nicht gesagt. Vergangene Woche war zunächst von neun gemeldeten Fälle von sogenanntem Botulismus nach Injektionen von Botulinumtoxin in die Magenwand die Rede. Das RKI hielt angesichts der anfangs eher unspezifischen Symptome weitere Erkrankungsfälle für möglich.

Nach Angaben des European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) sind bis zum 10. März 2023 67 Fälle gemeldet worden, darunter allein 53 Erkrankte in der Türkei. Zu 63 der von Botulismus Betroffenen lä­gen weitere Informationen vor. Demnach bestünden bei 60 Personen Verbindungen zu einem privaten Kran­ken­haus in Istanbul und bei drei zu einem privaten Krankenhaus in Izmir.

In einigen Fällen seien laut der europäischen Behörde stationäre Behandlungen notwendig gewesen, darun­ter mehrere Betroffene, die intensivmedizinisch und mit der Gabe von Botulinum-Antitoxin behandelt wur­den.

Ein Verband für Infektionskrankheiten in der Türkei hatte vorige Woche von Fällen bei Türken und Ausländern berichtet. Die Patienten hätten sich alle dem „Magen-Botox“ unterzogen, das hauptsächlich zur Gewichtsre­duk­tion eingesetzt werde. Diese Behandlung sieht eine deutsche Fachgesellschaft mit Skepsis.

„Der Nutzen dieses Eingriffs ist bisher nicht gut genug belegt. Wir beobachten das kritisch und sprechen keine Empfehlung aus“, sagte der Präsident der Vereinigung der Deutschen Ästhethisch-Plastischen Chirurgen (VD­ÄPC), Detlev Hebebrand. Im seriösen Bereich gebe es für Magen-Botulinumtoxinbehandlungen in Deutschland bis­her keinen großen Markt.

„Der Effekt einer solchen Behandlung dürfte kaum länger als etwa sechs Monate anhalten“, sagte Hebebrand. „Dabei ist fraglich, ob der Nutzen des Eingriffs überhaupt über den Effekt eines Scheinmedikaments hinaus­geht.“ An Beobachtungsstudien nähmen Menschen mit Motivation zum Abnehmen teil, was die Ergebnisse verzerren könne.

„Bei diesen Magenbehandlungen werden wesentlich höhere Botoxmengen eingesetzt als etwa gegen Falten im Gesicht“, sagte der Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie aus Rotenburg. Es sei unklar, wie lange es dauert, bis der Stoff im Körper wieder abgebaut wird.

Mehrere Anbieter in der Türkei beschreiben den Eingriff im Internet auf Deutsch, teils mit Vorher-Nachher-Fotos, partiell ergänzt mit Empfehlungen zu einer bewusster Ernährung. Als Nebenwirkungen werden zum Beispiel Übelkeit und Verdauungsstörungen angegeben. Was bei den Behandlungen in der Türkei schief ging, ist bis­lang unklar.

Die verwendeten Botulinumtoxin-Präparate seien zwar zugelassen, aber nicht für die intragastrale Behand­lung von Adipositas, berichtet die ECDC und beruft sich auf Untersuchungen der türkischen Behörden. Darauf­hin seien die Tätigkeit der betreffenden Abteilungen beider Krankenhäuser eingestellt und Ermittlungen ge­gen die Beteiligten eingeleitet worden.

Das RKI hatte Menschen, die seit dem 22. Februar eine solche Magenbehandlung in Istanbul erhalten hatten und Symptome haben, aufgerufen, zum Arzt zu gehen. Typische Anzeichen seien Seh- und Sprachstörungen und Schwäche in Armen und Beinen.

Hinzu kommen laut Behörde Schluck- und Atembeschwerden, die übli­cherweise zwischen drei bis zehn Tagen nach der Behandlung auftreten. Die Krankheit Botulismus ist laut RKI selten, „jedoch sehr ernst“. Sie werde von hochgiftigen Botulinum-Neurotoxinen verursacht.

dpa/aks

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