Ärzteschaft

Ästhetisch-­Plastische Chirurgie: Fachärzte warnen vor „Lifestyle“-­Eingriffen

  • Freitag, 29. Oktober 2021
Facelift mit Hautfüller aus Hyaluronsäure /picture alliance, Zoonar, Robert Kneschke
Facelift mit Hautfüller aus Hyaluronsäure /picture alliance, Zoonar, Robert Kneschke

Bielefeld – Minimalinvasive Behandlungen mit Botox oder Faltenunterspritzungen haben im zweiten Pandemiejahr wie schon 2020 deutlich zugelegt und führen die Liste der meistdurchgeführten Eingriffe und Behandlungen mit deutlichen Vorsprung an.

Das berichteten Experten der Deutschen Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie (DGÄPC) heute bei der Vorstellung der neuen DGÄPC-Statistik 2021, einer bundesweiten Patientenumfrage. Sie warnen vor einer Bagatellisierung solcher Eingriffe. Auch getrieben durch Social Media würde bei vielen Patien­tinnen und Patienten die Hemmschwelle sinken.

Mit 33,5 Prozent ist die Botoxbehandlung laut der Statistik die am häufigsten durchgeführte Ästhetisch-Plastische Behandlung im Jahr 2021, eine Steigerung um rund 37 Prozent zum Vorjahr. Mit rund 32 Pro­zent folgt nur knapp dahinter die Faltenunterspritzung. Häufigster Eingriff war den Angaben zufolge die Oberlidstraffung mit rund acht Prozent.

„Es zeigt sich eine deutliche Fokussierung auf das Gesicht und speziell die Augenpartie“, erklärte DGÄPC-Präsident Harald Kaisers, der die Statistik gemeinsam mit Jörg Blesse, Tagungspräsident der 49. Jahres­tagung der DGÄPC und Steffen Handstein, Präsident der Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plasti­schen Chirurgen (VDÄPC) vorstellte.

„Durch die Pandemie setzen sich viele intensiver mit ihrem Gesicht auseinander, durch das Tragen von Masken fällt der Blick auf die Augenpartie, in Zoom-Konferenzen sieht man nicht sein Spiegelbild, son­dern die Perspektive des anderen. Das ist für viele befremdlich“, so Kaisers.

Während klassische chirurgische Eingriffe in ihrer Häufigkeit relativ stabil geblieben seien, habe die Pan­demie den Trend zu nicht invasiven Behandlungen merklich verstärkt, erklärten die drei Experten über­einstimmend. Laut Statistik erfolgten 73,5 Prozent aller Behandlungen bei den befragten Patienten nicht operativ. Ein Anstieg von 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. „Ich denke, dieser Trend wird ungebrochen bleiben“, sagte Kaisers.

Sorge bereitet den Experten, dass einige minimalinvasive Behandlungen wie etwa der Einsatz von Hya­luronsäure weiterhin auch von nicht ärztlichem Personal durchgeführt werden darf. „Mittlerweile gibt es sogar Videos, die erklären, wie man sich Hyaluronsäure selbst spritzt, in unseren Praxen sehen wir dann hinterher die Katastrophen, die dabei entstehen können“, warnt Kaisers.

„Wir sind als Verbände schon seit mehreren Jahren aktiv, um auch bei der Politik zu erreichen, dass bei Fillermaterialien mehr Sicherheitsaspekte eingebaut werden“, ergänzte Handstein. So gebe es bei einer misslungenen Behandlung mit Hyaluronsäure etwa das Risiko der Erblindung. Nicht medizinisches Per­sonal sei in einem solchen Notfall aber gar nicht in der Lage ein entsprechendes Medikament zu be­sorgen. Entsprechend wichtig sei eine vorherige Beratung durch einen Arzt.

Mehr Patientinnen und Patienten unter 30

Auch bei operativen Eingriffen sei diese wichtiger Bestandteil. Die Oberlidstraffung ist der Statistik zu­folge der Eingriff, für den sich die meisten Frauen beim Erstgespräch in Facharztpraxen interessieren (15,2 Prozent), gefolgt von Brustvergrößerung (14,4 Prozent) und Fettabsaugung (11,8 Prozent). Bei Männern liegt die Fettabsaugung vorn (14,4 Prozent). Sie lassen sich beim Erstgespräch am zweithäu­figsten zu Brustverkleinerungen und Unterlidstraffung (je 11,7 Prozent) beraten. Auf Platz drei folgt die Oberliedstraffung (10,8 Prozent).

Eine stetige Zunahme verzeichnen Ästhetisch-Plastische Chirurgiepraxen bei Patienten unter 30. Der häufigste Behandlungswunsch war hier mit großem Abstand die Brustvergößerung (21,3 Prozent). Eine deutlich größere Nachfrage als bislang gab es der Statistik zufolge bei Intimkorrekturen. Während sich in diesem Bereich 2020 nur knapp zwei Prozent der Unter-30-Jährigen behandeln lassen wollte, waren es in diesem Jahr fast zwölf.

Bei den jüngeren Patienten bereitet den Fachärzten vor allem der Einfluss von Social-Media-Plattformen wie Instagram Sorgen. „Durch die Darstellung auf Social Media kommt es zunehmend zu einer Uniformi­sierung. Beispielsweise gibt es einen Trend, dass viele junge Menschen die gleichen Lippen haben wollen und sich dann eine entsprechende Behandlung wünschen“, so Kaisers. So komme es zu einer Ba­gatellisierung solcher Behandlungen und Eingriffe.

„Wir kommen da auf eine Livestyle-Ebene, wo diese Entscheidungen beliebig getroffen werden. Das ist eine fragwürdige Entwicklung, auf die wir als Fachgesellschaft hinweisen müssen.“ Oft ließen sich die Vorstellungen der Patientinnen und Patienten auch gar nicht umsetzen.

Wer mit einem Bild von einer bestimmten Nase oder Brust in die Praxis komme, müsse häufig erst ein­mal aufgeklärt werden, dass man diese Optik nicht einfach hin operieren könne, erklärte Blesse. „Durch bearbeitete Bilder auf Social Media entsteht ein falscher Eindruck, der den Druck auf junge Leute erhöht, immer perfekter auszusehen.“

Auch diese Entwicklung spiegelt sich in der neuen Statistik. Während der Einfluss von Social Media auf höhere Altersgruppen demnach eher gering ausfällt, verstärkte der Vergleich des eigenen Erscheinungs­bildes mit auf Social Media veröffentlichten Fotos bei rund 23 Prozent der Unter-20-Jährigen den Wunsch nach Veränderung.

Besonders stark scheint der Druck dabei auf junge Frauen zu sein. Unter den 23 Prozent, die angaben, sich nach dem Betrachten von Social-Media-Bildern verändern zu wollen, waren ausschließlich weibliche Befragte.

alir

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