Ruf nach Drogenkonsumräumen in allen Bundesländern

Bremen – Drogenkonsumräume für opioidabhängige Menschen sollten in allen Bundesländern vorgehalten werden. Darauf hat der Bundesverband für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik (Akzept) anlässlich des 30-jährigen Jubiläums des Angebots in Deutschland hingewiesen.
„Drogenkonsumräume verhindern Überdosierungen und Todesfälle, es werden hygienische Konsumbedingungen vorgehalten, die das Risiko für HIV und Hepatis reduzieren und Konsumenten können dort über Risiken ihres Konsums beraten werden“, sagte Heino Stöver von Akzept bei einer Pressekonferenz.
Darüber hinaus entlasteten Drogenkonsumräume den öffentlichen Raum, weil nicht auf der Straße konsumiert werden müsse, ergänzte er. Der Professor an der Frankfurt University of Applied Sciences bedauerte, dass es dieses „wichtige Angebot“ bisher nur in acht Bundesländern und an 32 Standorten gibt.
„Es war und ist immer noch in jedem Bundesland ein unheimlicher ideologischer Kampf um jeden Drogenkonsumraum“, erinnert er sich. Bayern, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt konnten bisher nicht überzeugt werden. In der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt Kiel sei man inzwischen „in den Startlöchern“ für einen Drogenkonsumraum.
Das Bundesland Bayern habe besonders hohe Drogentodeszahlen, betonte der Experte. Dennoch werde ausschließlich auf die Drogennotfallprophylaxe mit Naloxon gesetzt, einem Wirkstoff mit dem auch Laien Überdosierungen von Opioiden aufheben können.
Naloxon sei aber immer nur „Plan C“, nach Drogenkonsumräumen, Substitutionsbehandlung und Diamorphin-Ambulanzen. In letzteren können schwerstkranke opioidabhängige Menschen das synthetisch hergestellte Heroin Diamorphin unter ärztlicher Aufsicht intravenös erhalten.
Generell sind 2023 mehr Menschen in Deutschland durch ihren Drogenkonsum gestorben als jemals zuvor. Das Bundeskriminalamt hat 2.227 drogenbedingte Todesfälle registriert – etwa doppelt so viele wie vor zehn Jahren und rund zwölf Prozent mehr als im Vorjahr.
Gefragt nach den Gründen für den Anstieg, sagte Stöver: „Man kann hier nur spekulieren, aber wir sehen einen zunehmenden polyvalenten Drogenkonsum, hochpotente synthetische Opioide wie Fentanyl fluten den Markt und treffen auf immer älter werdende vulnerablere drogenabhängige Menschen.“
Drogenkonsumräume und im besten Falle dort direkt eine Analyse der Substanzen (Drug Checking) könnten Drogentodesfälle verhindern helfen, so der Experte.
„Drug Checking muss unbedingt auch in Drogenkonsumräumen ermöglicht werden“, forderte Nina Pritzens, Geschäftsführerin von Vista – Verbund für integrative soziale und therapeutische Arbeit mit dem Schwerpunkt Substanzkonsum in Berlin. Denn dort sei eine Substanzanalyse oftmals lebensrettend, gerade im Hinblick auf immer potenter werdendes Fentanyl.
In Berlin gebe es seit 20 Jahren Drogenkonsumräume, inzwischen an fünf Standorten und mobil. Überall seien die Nutzungszahlen hoch, erreicht würden neben Opioid- auch Crackkonsumenten, die in anderen Hilfsangeboten nicht ankämen.
Die Möglichkeit für Drug Checking wurde im Juni 2023 mit Änderungen im Betäubungsmittelgesetz festgeschrieben, mit denen die Bundesländer Modellvorhaben zum integrierten Drug Checking errichten können. Das bedeutet, dass Substanzanalysen immer mit einem Beratungsangebot und einem Risikocheck verbunden sind. Dabei wurde auch geregelt, dass Drug Checking künftig auch in Drogenkonsumräumen möglich sein kann.
In keinem Bundesland jedoch sei mehr als ein Jahr später eine entsprechende Rechtsverordnung für Drug Checking in Drogenkonsumräumen angekommen. Drug Checking generell wird in Einrichtungen der Drogenhilfe seit Juni 2023 im Rahmen eines Modellvorhabens in Berlin angeboten, in Thüringen lief ein Pilotprojekt, Mecklenburg-Vorpommern hat mobiles Drug Checking auf dem jährlichen Technofestival „Fusion“ ermöglicht. In den anderen Bundesländern werden den Experten zufolge „wieder ideologische Debatten geführt“.
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