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Samenspender gibt hohes Krebsrisiko an mehr als zwanzig Kinder weiter

  • Mittwoch, 28. Mai 2025
/natali_mis, stock.adobe.com
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Mailand – Ein gesunder Samenspender mit einer seltenen Genmutation hat unwissentlich an mindestens 23 Kinder ein erheblich erhöhtes Krebsrisiko weitergegeben, mindestens zehn sind bereits an Krebs erkrankt.

Das berichtete Edwige Kasper, eine Expertin für genetische Krebsanlagen am Universitätsklinikum der nordfranzösischen Stadt Rouen, am Wochenende auf dem Kongress der Europäischen Gesellschaft für Humangenetik (ESHG) in Mailand. Der Fall wirft Fragen auf, ob Samenspenden auf europäischer Ebene ausreichend reguliert sind.

Von dem Samenspender stammen Dutzende Kinder ab. Der Mann ist Träger einer Mosaikmutation im TP53-Gen. Mosaikmutation bedeutet, dass nicht alle Zellen die Veränderung tragen. Bei dem Samenspender sind den Angaben zufolge weniger als 50 % der Spermien betroffen, es trägt also nicht jeder seiner Nachkommen die Mutation.

Krebsrisiko Li-Fraumeni-Syndrom

Das Gen TP53 codiert das Tumorsupressor-Protein p53. Bei einer TP53-Mutation ist die Menge dieses Proteins unzureichend. Die Folge sind DNA-Schäden, die nicht korrigiert werden. Das erhöht das Risiko für Tumore erheblich, Fachleute sprechen vom Li-Fraumeni-Syndrom (LSF).

„Betroffene haben ein hohes Risiko, schon in jungen Jahren an verschiedenen Krebsarten zu erkranken – und häufig mehrfach im Leben“, teilte LFSA Deutschland, eine Patientenorganisation für Menschen mit LFS, in einer Mitteilung zu dem Fall mit.

Die medizinische Herausforderung bei LSF liege in der intensiven Vorsorge. „Denn nur durch frühzeitiges Erkennen einer Krebserkrankung besteht die Aussicht auf ihre erfolgreiche Behandlung. Das Li-Fraumeni-Syndrom selbst ist nicht heilbar“, schreibt LFSA Deutschland.

Insgesamt wurden mittlerweile 67 Kinder in acht europäischen Ländern auf die Mutation hin getestet. Mindestens 23 der zwischen 2008 und 2015 geborenen Kinder, die von dem Samenspender abstammen, tragen die Mutation, mindestens zehn sind bereits an Krebs erkrankt. Das Sperma des Spenders wird mittlerweile nicht mehr verwendet. Es stammt von einer dänischen Samenbank.

Die betroffenen Kinder würden nun engmaschig überwacht, um Anzeichen für einen möglichen Tumor frühzeitig zu entdecken, sagte Kasper. Teil davon sind Ganzkörper-MRT-Scans, MRT-Scans des Gehirns und bei Erwachsenen auch der Brust. Auch Ultraschalluntersuchungen des Abdomens und eine klinische Untersuchung durch einen Spezialisten gehören dazu.

„Das ist für die Träger sehr anstrengend und belastend, aber wir haben gesehen, dass es sich bewährt hat, da es eine frühzeitige Erkennung von Tumoren ermöglicht und somit die Überlebenschancen der Patienten verbessert hat“, sagte Kasper.

Regulatorischer Verbesserungsbedarf

Zwar sei es im Jahr 2008 in der Praxis unmöglich gewesen, die beim Spender aufgetretene Mutation zu entdecken, dennoch gebe es viele Dinge, die besser hätten laufen können, erklärte Kasper.

Einige betroffene Fruchtbarkeitskliniken hätten sich geweigert, den Familien Informationen über die Variante zu geben, weil sie wollten, dass die Kinder in ihren eigenen Laboren getestet werden. Kasper und ihr Team bemängelten auch unzureichende Kommunikation mit der Samenbank und den betroffenen Fruchtbarkeitskliniken.

„Es gibt ein großes Problem mit Blick auf fehlende abgestimmte Regulierung in Europa,“ sagte Kasper. So habe jedes Land seine eigenen Regeln in Bezug auf Samenspende.

Zwar dürften in einem einzelnen Land oft nur zehn Kinder mit den Keimzellen eines Spenders gezeugt werden. Doch in einem anderen Land kann es weitere Kinder des Spenders geben. „Auf europäischer oder internationaler Ebene kann es so zu sehr vielen Geburten kommen“, heißt es in einer Pressemitteilung des Kongresses.

„Wir brauchen eine angemessene Regelung auf europäischer Ebene, um zu verhindern, dass so etwas noch einmal passiert, und um Maßnahmen zu ergreifen, die eine weltweite Begrenzung der Zahl der Nachkommen eines Spenders gewährleisten“, sagte Kasper.

Grundsätzlich seien genetische Untersuchungen von potenziellen Samenspendern sinnvoll und würden in europäischen Ländern in unterschiedlichem Umfang auch durchgeführt, teilte die Deutsche Gesellschaft für Humangenetik (GFH) dem Deutschen Ärzteblatt mit.

„Die Frage ist natürlich, wie umfangreich sich diese Untersuchungen gestalten sollen. Bezüglich der Entdeckung von Mutationen, die wie in dem jetzt berichteten Fall für ein erbliches Tumorsyndrom verantwortlich sind, spricht natürlich vieles für eine solche Untersuchung.“

Es sei wahrscheinlich, dass zukünftig die Untersuchungen von potenziellen Samenspendern sehr viel umfangreicher sein werden als die heute angebotenen, so die DGH. Allerdings hätte man im vorliegenden Fall die Mutation im Blut möglicherweise gar nicht nachweisen können, selbst wenn man darauf getestet hätte, weil sie bei dem Spender nur als Mosaik vorkam.

„Zur Entdeckung von Mosaikmutationen könnte man auch zusätzlich noch Samenzellen untersuchen, das Vorhandensein eines niedriggradigen Mosaiks kann man damit aber nicht ausschießen.“ Im vorliegenden Fall scheine das Mosaik aber höhergradig gewesen zu sein. „Dies hätte man theoretisch durch eine Untersuchung der Spermien vorher finden können.“ 

fri

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