Schlaganfall: Keine Alternative zu Alteplase trotz Lieferengpass

Berlin – Trotz eines bestehenden Lieferengpasses von Alteplase ist das Medikament für die systemische Thrombolysetherapie bei einem ischämischen Schlaganfall aktuell alternativlos. Das ist das Fazit einer Arbeitsgruppe der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG). Der Neurologe und DSG-Vorsitzende Darius Nabavi gab das Ergebnis der Analyse gestern bei einer Pressekonferenz anlässlich des Weltschlaganfalltages am kommenden Samstag bekannt.
Alteplase ist aktuell das einzige Medikament in Deutschland, das für die systemische Lysetherapie zugelassen ist. Aufgrund eines Lieferengpasses seit April diesen Jahres hat eine Arbeitsgruppe der DSG mögliche Alternativen zur Alteplase für die Therapie des ischämischen Schlaganfalls überprüft.
„Die Frage, ob eine Therapie mit reduzierter Dosis möglich ist, muss klar mit nein beantwortet werden“, sagte Nabavi. Damit ließe sich kein gleichwertiges Therapieergebnis erzielen.
Auch der Verzicht auf eine systemische Lysetherapie bei anstehender mechanischer Rekanaliation sei keine Lösung des Problems, da Patientinnen und Patienten im entsprechenden Zeitfenster von 4,5 Stunden klar von einer vorherigen Lysetherapie profitierten.
Zwar kam die Arbeitsgruppe zu dem Schluss, dass das Medikament Tenectaplase in manchen Fällen als Alternativsubstanz eingesetzt werden könne, allerdings sei dies nur eine theoretische Lösung. Denn Produzent für das nur für den Herzinfarkt zugelassene Medikament sei ebenfalls Boehringer Ingelheim.
Ein Produktionsstandort für weltweiten Vertrieb
Nach Angaben der DSG übersteigt der Tenecteplase-Mangel sogar den Mangel an Alteplase. Beide Substanzen werden im gleichen Werk in Biberbach/Riß hergestellt. Aktuell plane die Pharmafirma die Alteplase-Produktion an einen neuen Standort in Wien zu verlagern, um die Produktionskapazitäten von Tenecteplase in Biberach/Riß zu erhöhen.
„Alteplase wird zellbiologisch in einem komplexen Verfahren hergestellt: von einem einzigen Unternehmen, an einem einzigen Produktionsstandort für die weltweite Nachfrage“, sagte Nabavi. Ein Grund für den Lieferengpass sei eine gestiegene Nachfrage insbesondere im asiatischen Raum.
„Wir müssen uns darauf einstellen, dass der Versorgungsengpass auch 2024 noch weitergeht.“ Zurzeit seien deutsche Stroke Units allerdings weit entfernt von einem tatsächlichen Versorgungsmangel und bis zum Frühjahr sehe die Situation stabil aus, versicherte Nabavi.
Sowohl der Hersteller Boehringer Ingelheim als auch die DSG hätten bereits seit Bekanntgabe des Versorgungsengpasses verschiedene Maßnahmen ergriffen, um einem Mangel entgegenzuwirken. So erhalten Stroke Units in Deutschland nur noch etwa 90 Prozent des Bedarfs der letzten zwei Jahre von Alteplase „Das ist ein klarer Einschnitt“, sagte Nabavi, „aber gleichzeitig hat dies für Transparenz und Gleichbehandlung gesorgt und Vorratskäufe der Kliniken verhindert.“
Um die Versorgung sicherzustellen, sollten Stroke Units ein strukturiertes Bestandsmonitoring durchführen. Nach Angaben der DSG überwachen die neurologischen Kliniken seitdem regelmäßig, welche Mengen an Alteplase wöchentlich im Durchschnitt benötigt werden und gleichen dies mit der vorrätigen Menge in Klinik und Krankenhausapotheke ab.
Der Bestand sollte für mindestens vier Wochen ausreichend sein. Ein Bestand für weniger als zwei Wochen gilt als kritisch. Einmal im Monat tausche sich die DSG mit Boehringer Ingelheim über den aktuellen Stand aus und gebe ein Reporting an die zirka 340 Stroke Units in Deutschland.
Zwar müsse Alteplase eingespart werden, aber die Indikation für eine Thrombolysetherapie ändere sich dadurch nicht. Eine Möglichkeit zur Einsparung des Medikaments sei beispielsweise den Material Verwurf zu senken. Da sich die Menge von Alteplase für eine Lysetherapie nach Gewicht des Patienten errechnet, sollten beispielsweise keine Flaschen mit einer zu hohen Dosierung genutzt werden, so die DSG.
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