Vermischtes

Stress ist ein relevanter kardiovaskulärer Risikofaktor

  • Mittwoch, 5. Juli 2023
/vectorfusionart, stock.adobe.com
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Hannover – Der Anteil der stressgeplagten Patienten mit einer kardiovaskulären Erkrankung ist in den ver­gangenen Jahren deutlich gestiegen: Bei etwa jeder oder jedem zehnten Betroffenen liegt auch eine Stress­diagnose vor, in der Altersgruppe der berufstätigen 25- bis 64-Jährigen sogar bei jeder oder jedem siebten.

Das zeigen Versichertendaten der KKH Kaufmännischen Krankenkasse, die die KKH-Ärztin Sonja Hermeneit heute auf einer Pressekonferenz vorstellte. Demnach nahmen Herz-Kreislauf-Erkrankungen von 2011 bis 2021 um rund 17 Prozent zu, berichtete Hermeneit.

Gleichzeitig stieg die Zahl der Personen mit kardiovaskulären Erkrankungen und psychischen Diagnosen wie Belastungsreaktionen, depressiven Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen mit etwa 37 Prozent um mehr als das Doppelte an.

Laut einer bundesweiten telefonischen forsa-Umfrage im Auftrag der KKH aus dem Mai 2023 fühlten sich 84 Prozent der befragten 1.004 KKH-Versicherten im Alter von 18 bis 70 Jahren zumindest gelegentlich gestresst, 43 Prozent sogar häufig oder sehr häufig. Dabei nahm die Belastung offenbar zu: So hatte jede oder jeder zweite Befragte das Gefühl, dass das Leben in den vergangenen ein bis zwei Jahren anstrengender und stressiger geworden sei.

„Chronischer Stress und enorme psychische Belastungen steigern das Risiko für einen hohen Blutdruck und die Entwicklung weiterer Herzerkrankungen“, warnte Hermeneit. Chronischer Stress sei ein genauso rele­van­ter kardiovaskulärer Risikofaktor wie Bewegungsmangel, ungesunde Ernährung oder das Rauchen. Daher sollten Ärztinnen und Ärzte Stress als Risikofaktor in der Praxis proaktiv ansprechen.

Nicht nur psychische Auswirkungen

„Stress ist nicht nur etwas, was im Kopf passiert, Stress ist etwas, was sich in einer körperlichen Schädigung manifestieren kann“, betonte Kai G. Kahl, leitender Oberarzt der Psychokardiologie an der Medizinischen Hochschule Hannover. Bezogen auf das Herz seien das Schäden bis hin zu einer Koronarsklerose.

Das erhöhte kardiovaskuläre Risiko durch Stress gelte vor allem auch für jüngere Menschen ohne Vorerkran­kungen, betonte Hermeneit. Laut Kahl sei dies ein völlig neues Phänomen. Dabei stehen Jüngere offenbar eher unter Druck als Ältere, wie die Umfrageergebnisse zeigen.

So fühlten sich 18- bis 49-Jährige häufiger gestresst als 50- bis 70-Jährige. Die Jüngeren berichteten auch eher über Beschwerden wie Unruhe, Nervosität oder Gereiztheit in stressigen Situationen, die insgesamt 64 Prozent der Befragten angaben.

Über Müdigkeit in entsprechenden Situationen und Schlafstörungen klagten 62 Prozent, über Erschöpfung und ein Gefühl des Ausgebranntseins 59 Prozent. Etwa jede oder jeder Dritte litten unter niedergedrückten Stimmungen und Depressionen und jede oder jeder Sechste unter stressbedingten Angstzuständen. Letzteres betraf unter den 18- bis 34-Jährigen sogar etwa jede vierte befragte Person.

Individuelle Angebote schaffen

Doch welche Faktoren tragen zur Stressbelastung bei? Der Umfrage zufolge waren das bei den meisten (48 Prozent) hohe Ansprüche an sich selbst. 43 Prozent der Befragten gaben Belastungen in Ausbildung und Beruf an. Aber auch weltweite Krisen wie der Klimawandel, die hohe Inflation oder der Krieg in der Ukraine sorgten bei 44 Prozent für Stress. Die ständige Erreichbarkeit über Smartphone und ähnliches war bei 32 Prozent ein weiterer wichtiger Faktor.

Angesichts der Vielfalt der Belastungen, die bis zum Stress führen können, sei es wichtig, so Hermeneit, ge­gen die Stressbelastungen entsprechend den individuellen Voraussetzungen vorzugehen. Denn so unter­schiedlich wie die Faktoren, die Stress hervorrufen, seien auch die Maßnahmen zum Stressabbau.

In der Umfrage gaben zum Beispiel 70 Prozent der Befragten an, dass Hobbys ihnen bei der Stressbewälti­gung halfen. Sich mit Freunden oder der Familie treffen, war für 68 Prozent wichtig. 64 Prozent entspannten beim gemütlichen Faulenzen oder 61 Prozent beim Fernsehen, Lesen oder bei Computerspielen. Allerdings griffen auch 25 Prozent auf Alkohol oder Zigaretten zurück.

Präventionsangebote, Online-Coaches oder auch Digitale Gesundheitsanwendungen (DIGAs) können die Stress­bewältigung unterstützen, sagte Hermeneit weiter. Kahl riet, „eine Kultur des gegenseitigen Wohl­wollens“ um so ein Klima der Resilienz zu schaffen. Zudem betonte er: „Die beste Stressprävention beginnt bei einer glücklichen Kindheit.“

aks/dpa

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