Vermischtes

Suchthilfeverein hofft auf ärztliche Initiativen für neue Substitutions­therapien

  • Montag, 10. Februar 2025
Drogenkonsum­raum von Fixpunkt in Berlin/picture alliance, Caro, Waechter
Drogenkonsum­raum von Fixpunkt in Berlin/picture alliance, Caro, Waechter

Berlin – Die Geschäftsführerin des Suchthilfevereins Fixpunkt, Astrid Leicht, hofft angesichts der zunehmenden Probleme mit Kokain- und Crackanhängigkeit auf ärztliche Initiativen zur Entwicklung von Substitutionspro­gramm­en. Dass es solche noch nicht gibt, stelle die Drogenhilfe vor große Probleme.

Die rapide wachsende Bedeutung von Kokain auf dem Schwarz­markt für illegale Drogen verändert auch die Anforderungen in der Suchthilfe. „Wir hatten in Deutschland noch nie so viel Kokain im Markt wie im Moment“, erklärte der Bundesdrogenbeauftrage, Burkhard Blienert (SPD) bei einem Besuch eines Drogenkonsum­raums von Fixpunkt in Berlin.

Die Menge von 43 Tonnen Kokain, die vergangenes Jahr in Deutschland sichergestellt worden sei, deute auf die Dimensionen des Problems hin. Man gehe davon aus, dass auf eine entdeckte Tonne zehn unentdeckte kämen.

„Wir müssen in diesem Zusammenhang unbedingt auch mehr über Crack reden“, forderte Blienert. Denn im Wind­schatten dieser Kokainschwemme eskaliere auch der Konsum von Crack, das aus Kokain und Natron auf­gekocht wird. Crack ist bedeutend kostengünstiger, führt aber so schnell wie kaum eine andere illegale Droge zu schwerer Abhängigkeit und körperlichem Verfall.

Fixpunkt-Geschäftsführerin Leicht berichtete, dass sie den Wandel auf dem illegalen Drogenmarkt in der eige­nen Arbeit deutlich beobachten könne: In den Anfangsjahren des Vereins in den Neunzigern hätten die Konsu­mierenden, die Fixpunkt betreut, zu 80 Prozent wegen Heroinkonsums an den Verein gewandt, zwölf Prozent wegen Kokain und gerade einmal zwei Prozent der Fälle wegen Crack.

Heute habe sich das Verhältnis umgekehrt: 80 Prozent der Fälle stünden in Zusammenhang mit Kokain und Crack – was sich oft nicht mehr scharf trennen ließe – und nur noch 20 Prozent beträfen Heroinkonsum. Das bringe auch einen Wandel der gesundheitlichen Folgen für die Konsumierenden mit sich, erklärte Heike Zurhold, Soziologin und Kriminologin vom Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung der Universität Hamburg.

Kokain und Crack noch viel mehr zeichneten sich anders als Heroin durch eine kurze Wirkungsdauer und dadurch sehr kurze Konsumintervalle aus. Hinzu komme, dass die Konsumenten anders als bei Heroin vor allem eine starke psychische Abhängigkeit entwickelten, die sich oft schwerer therapieren lasse als eine körperliche.

Zudem sei in den vergangenen Jahren die Reinheit des Kokains massiv gestiegen und liege mittlerweile oft bei 80 Prozent und mehr. Die Droge wirke stark auf Herz und Kreislauf, sodass Überdosierungen aufgrund des hohen Reinheitsgrads oft lebensgefährlich sein könnten. Auch aus diesem Grund sei der Ausbau von Drugchecking-Angeboten sinnvoll.

Leicht bestätigte Zurolds Einschätzungen. Die Konsumierenden in den Einrichtungen würden einen viel höheren Suchtdruck verspüren. Zudem sei die aufputschende Wirkung oft noch gesundheitsschädlicher: „Bei Heroin schlafen viele irgendwann einfach ein. Bei Crack dauert es oft Tage, bis es zu einem Zusammenbruch kommt“, sagte sie.

Ein zentrales Problem bei der Suchthilfe sei, dass es anders als bei Heroin bei Kokain und Crack noch keine Substitutionstherapien gebe. „Ich finde, dass die Suchtmedizin da eine große Verantwortung trägt“, betonte Leicht.

Die Heroinsubstitution sei vor allem durch die innovative Arbeit mutiger Ärztinnen und Ärzte entstanden und habe in den vergangenen 20 Jahren große Erfolge erzielt. Solche Initiativen brauche es nun auch für Kokain- und Crackabhängige.

Zudem müsse das Betäubungsmittelgesetzt (BtMG) reformiert werden, um Rechtssicherheit für Suchthilfeein­rich­tungen zu erhöhen. Denn sogenannter Mikrohandel, also beispielsweise das Teilen von vor Ort zubereiteten kleineren Mengen Crack, werde auch in solchen Einrichtungen als strafbarer Betäubungsmittelhandel gewertet.

Es schränke die Möglichkeiten der Suchthilfe jedoch ein, „wenn wir ständig damit rechnen müssen, den Staats­anwalt im Haus zu haben“, unterstrich sie. Zudem widerspreche es einem der Grundanliegen solcher Einrichtun­gen, die ja gerade auch durch die Bereitstellung hygienischer Zustände die Gesundheitsgefahren verringern wollen.

Es widerspreche dieser Logik, die Abhängigen zu zwingen, unter nicht kontrollierbaren hygienischen Bedingun­gen hergstelltes Crack außerhalb der Einrichtung erwerben, wenn es eigentlich unter sichereren Umständen ginge. In der Schweiz verfahre man bereits so, wie sie es für Deutschland fordere, und das sei eines der Erfolgs­geheimnisse der als vorbildlich geltenden Suchthilfe dort.

lau

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