Umfrage: Hilfsmittelversorgung unter Druck

Berlin – Vor wachsenden Gefahren für den Hilfsmittelstandort Deutschland warnt die European Manufacturers Federation for Compression Therapy and Orthopaedic Devices (eurocom).
„Die negative Einschätzung des Innovationsklimas in Deutschland nimmt rapide zu. Die Bedeutung des deutschen Marktes sinkt. Soll eine verlässliche Versorgung der Versicherten mit innovativen und hochwertigen Hilfsmitteln in Deutschland weiterhin möglich sein, sehen wir dringenden Handlungsbedarf“, sagte Oda Hagemeier, Geschäftsführerin der eurocom, mit Blick auf die Ergebnisse der im Mai durchgeführten Mitgliederbefragung.
Demnach bewerteten 78 Prozent der Befragten – und damit 15 Prozent mehr als im Vorjahr – das hiesige Innovationsklima als schlecht. Für nur noch 79 Prozent der Hersteller ist Deutschland zurzeit der wichtigste Markt – 2023 war er dies noch für 86 Prozent.
Für ein Fünftel rangiert der deutsche Markt bereits jetzt zwischen Platz 2 und Platz 6. Größtes Standortrisiko mit 93 Prozent sind laut der Befragung bürokratische Hürden. 75 Prozent der Hersteller sehen in den Auswirkungen anhaltender nicht abgedämpfter Kostensteigerungen eine Gefahr.
Das mit Abstand größte Markt- und Innovationsrisiko ist laut Umfrage im vierten Jahr nach Einführung des eurocom-Branchenbarometers das „unsichere und langwierige Aufnahmeverfahren“ neuartiger Produkte ins Hilfsmittelverzeichnis des GKV-Spitzenverbandes. Traf dies im Vorjahr noch für 68 Prozent der Befragten zu, so stieg der Wert 2024 auf 83 Prozent an.
Eurocom wies darauf hin, dass 53 Prozent aller Anträge auf Aufnahme eines neuartigen Hilfsmittels ins Hilfsmittelverzeichnis in den vergangenen zehn Jahren abgelehnt worden seien. Eine Aufnahme dauere mehrheitlich fünf bis zehn Jahre und länger. Die Folge: 54 Prozent der Befragten sehen eine Beschleunigung und Standardisierung des Aufnahmeverfahrens als dringend geboten.
„Es ist nicht hinnehmbar, dass Innovationsvorhaben durch überzogene zusätzliche Nachweispflichten unnötig gedehnt oder sogar im Keim erstickt werden. Hier muss eine Beweislastumkehr greifen.
Fordert der GKV-Spitzenverband zur Aufnahme eines neuartigen Hilfsmittels ins Hilfsmittelverzeichnis zusätzliche Nachweise des medizinischen Nutzens über den bereits geführten Nachweis im Rahmen der MDR-Konformität hinaus, muss er die Notwendigkeit darlegen“, so Hagemeier.
Zudem müssten Festbeträge als Instrument zur Ausgabenregulierung rechtssicher sein und jährlich marktgerecht angepasst werden. Die seit Jahren anhaltenden Kostensteigerungen beträfen alle Hersteller und könnten – anders als im freien Markt anderer Branchen – im Vertragssystem der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nicht oder nur teilweise weitergegeben werden, betonte die eurocom-Geschäftsführerin.
Dies hat Auswirkungen: 43 Prozent der Befragten geben an, Produktionen bereits jetzt oder zukünftig ins Ausland zu verlagern. Erstmals seit Einführung des Branchenbarometers halten die Befragten Standortschließungen für möglich. 14 Prozent geben an, diesen Schritt bei anhaltender Belastung in Erwägung ziehen zu müssen.
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