Vermischtes

Unterschiedliche Organspende­bereitschaft in den Bundesländern

  • Donnerstag, 6. Februar 2025
/DSO
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Mainz – Innerhalb Deutschlands variieren die Transplantationszahlen erheblich. Das wurde auf der Jahrestagung der Region Mitte der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) in Mainz deutlich.

Danach lag der bundesweite Durchschnitt bei 11,4 Spendern und Spenderinnen pro 1 Mio Einwohner. Während die Region Mitte mit 11,6 dem in etwa entspricht wie auch die Regionen Nord, Nord-Ost sowie Bayern und Baden-Württemberg (als eigene Regionen) kommt die Region Ost ­– mit Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen auf 15,6 Spender und Spenderinnen pro 1 Mio Einwohner. Übertroffen wird dies noch einmal deutlich vom „Ausreißer“ Hamburg mit 27,2.

Hier setze sich ein Trend fort, den man seit der Wiedervereinigung von Anfang an habe beobachten können, antwortete Paula Barreiros, die geschäftsführende Ärztin der DSO-Region Mitte, auf die Frage nach dem Grund für die Diskrepanz.

Die Spendebereitschaft sei in der ehemaligen DDR viel höher gewesen. Es habe eine Widerspruchslösung ge­geben und die Haltung sei ‚pro Organspende‘ gewesen. All das wirke noch nach. Die Region Mitte liege hingegen auf dem Bundesdurchschnitt.

„Wir hatten in Rheinland-Pfalz im Jahr 2024 nur 35 realisierte postmortale Organspenden – und dies auf rund vier Millionen Einwohner. Wir tun alles, damit sich das ändert“, betonte Barreiros vor Pressevertretern. Dazu müsse das Thema mehr in die Familien getragen werden.

Eine Analyse aller organspendebezogenen Kontakte für die Region Mitte habe gezeigt, so Barreiros, dass in einem Großteil der Fälle die Angehörigen angaben, dass nie über das Thema Organspende gesprochen worden sei. Entsprechend unsicher sind sich die Angehörigen, wenn sie dann für Verstorbene eine Entscheidung treffen sollen.

Stellvertretend für viele schilderten die Eltern von Leonard Sieben aus Mainz auf der Pressekonferenz, wie sie nach einem Fahrradunfall ihres 13 Jahre alten Sohnes vom Arbeitsplatz in die Klinik geholt worden waren und sich dort quasi von der Frage nach einer möglichen Organspende zunächst überrumpelt fühlten.

Nur zufällig war in der Woche vor dem Unglück im Rahmen einer Schulveranstaltung das Thema Organtrans­plan­tation aufgegriffen worden. Die Frage ihres Sohnes, ab welchem Alter man eigentlich Organspender werden könne, habe sie unter anderem überzeugt, dass es dem Willen des Kindes entsprochen habe, seine Organe zu spenden.

Leonard sei ein lebensfroher, lebensbejahender Junge gewesen. Es habe zu ihm gepasst, mit seinen Organen anderen zu helfen. Zudem habe er noch eine Woche gelebt, so dass die Eltern Zeit hatten, alles in Ruhe zu überlegen und von ihrem Kind Abschied zu nehmen.

Solch zufälligen Umständen soll es allerdings gerade nicht überlassen bleiben, um eine Organspende möglich zu machen und das Spendewesen auch im internationalen Vergleich auf ein besseres Niveau zu bringen. Deutschland lag nach Angaben von Barreiros in Europa im unteren Drittel.

Axel Rahmel, der Medizinische Vorstand der DSO, erläuterte in Mainz, was dies für die medizinische Versorgung bedeutet: Hierzulande kommen von den Patienten und Patientinnen, die an einer terminalen Niereninsiuffizienz leiden, nur rund 15 Prozent überhaupt auf die Warteliste für ein neues Organ.

„Das ist nur jeder achte Patient“, betonte Rahmel, „und die Wartezeit auf der Liste sind dann noch einmal sechs Jahre, mitunter sogar zehn“, so der DSO-Vorstand. Im Vergleich dazu komme in Spanien jeder zweite von Nieren­versagen Betroffene auf die Warteliste und diese Menschen warten auch nur rund zwei Jahre.

Organtransplantation ist erfolgreich und kennt keine Altersgrenzen

Das sei umso bedauerlicher, als die Organtransplantation – nicht zuletzt aufgrund deutscher Forschung – medi­zinisch eine große Erfolgsgeschichte darstellt, sagte Hauke Lang, Direktor der Klinik für Allgemein-, Vis­zeral- und Transplantationschirurgie an der Universitätsmedizin Mainz, wo die Leberchirurgie einen auch inter­national anerkannten Schwerpunkt darstellt.

„Die Lebertransplantation ist lebensrettend. Nach fünf Jahren überleben 90 Prozent derer, die ein neues Organ erhalten haben und sonst verstorben wären“, hob Lang hervor. Denn anders als bei der Niere gibt es keine der Dialyse vergleichbare Therapie, die die Funktion des Stoffwechselorgans ersetzen könnte. „Wir müssen als Ärzte somit eine Triage vornehmen, das gibt es sonst nirgends in der Medizin hierzulande“, kritisierte der Transplanta­tionschirurg.

Es sei bekannt, wie knapp die Organe seien. Infolgedessen könne man gar nicht alle auf die Warteliste nehmen, die eigentlich von einem neuen Organ profitieren würden, weil ohnehin keine Chance bestehe, dass sie die Zeit auf der Warteliste überstehen würden.

Die chirurgischen Kapazitäten dafür seien im Übrigen vorhanden, erläuterte der Klinikdirektor im Gespräch. Bei­spielsweise würden in einem Zentrum wie Mainz so viele Abdominaloperationen erfolgen, dass eine Steigerung der Transplantationen ohne weiteres zu bewältigen wäre.

Dieses Wissen um die Chancen einer Transplantion müsse künftig auf unterschiedlichen Ebenen angesprochen werden, um es den unterschiedlichsten Zielgruppen nahe zu bringen, betonte Rahmel auf Nachfrage. „Wir wollen dabei die Schulen einbeziehen, müssen andere Kulturkreise differenziert mit einbeziehen und ebenfalls ältere Personen davon überzeugen, dass eine Spende auch im Alter noch Sinn macht“, erläuterte er im Gespräch.

Gerade die „Old-for-Old“ Programme zeigen, wie effektiv das sein kann. So werden im Rahmen des Sonderpro­gramms für Senioren-Patienten (ESP) Organe von über 65-jährigen Spendern und Spenderinnen an Empfänger vermittelt, die ebenfalls über 65 Jahre alte sind. Ältere Organe funktionieren erstaunlich gut, das bekräftigten in Mainz die Experten unisono.

Der bislang älteste Organspender in Deutschland war 98 Jahre alt, ihm wurde 2009 eine Leber entnommen und erfolgreich transplantiert. Zu den anderen Organen, die bundesweit von relativ alten Menschen postmortal wei­tergegeben wurden, zählen laut DSO-Jahresbericht 2021 eine Lunge (2014; 85 Jahre) und ein Herz (2016; 75 Jahre).

Die älteste Nierenspenderin kommt aus der DSO-Region Mitte. Sie sei 96 Jahre alt gewesen, erläuterte Barreiros. Und diese Niere funktioniere immer noch – nach nunmehr fast 10 Jahren seit der Transplantation.

mls

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