Wie ein konstruktiver Dialog über Reproduktionsmedizin aussehen könnte

Berlin – Für einen respektvollen Dialog über das teils umstrittene Thema Reproduktionsmedizin hat der Experte für Gesundheitskommunikation, Klaus Hurrelmann, einige Vorschläge präsentiert und zum (Wieder-)Erlernen des konstruktiven Streitens aufgerufen.
Der Professor von der Hertie School in Berlin nannte gestern Abend bei einer Veranstaltung des Deutschen Ethikrates in Berlin mehrere Punkte, die sich – trotz aller Schwierigkeit, Parallelen zu ziehen – aus dem Bereich der Präventionsforschung auf dieses Thema übertragen ließen.
Als Leitsätze für die weitere Debatte über Reproduktionsmedizin führte Hurrelmann an: Wichtig sei zunächst die Wissenschaftsbasiertheit der Informationen, mit nachvollziehbaren, transparenten, belegbaren Quellen. Vorurteile und Stereotype seien fehl am Platz. Es gehe darum, die Fakten zu vermittlen. „Das dürfen Informationskampagnen sein“, sagte Hurrelmann. Wenn es unterschiedliche wissenschaftliche Befunde gebe, müssten diese dargestellt werden, sagte er.
Außerdem müsse eine Vielzahl an Standpunkten enthalten sein (Multiperspektivität). „Die Kommunikation muss verschiedene ethische Perspektiven berücksichtigen.“ Man müsse auch deutlich machen, wo die Grenzen des Wissens liegen. Hurrelmann schlägt zudem das Einbauen einer „Dialogidee“ vor: eine Art Streitmodus mit Regelwerk für den Umgang mit strittigen Fragen, ohne in Diskriminierung zu rutschen oder Vorurteile zu fördern, die die Diskussion zerstören.
Der Forscher appellierte auch mit Blick auf Ergebnisse seiner erst vor wenigen Tagen vorgestellten Untersuchung Jugend in Deutschland 2024: Es gelte, wieder zu lernen, in eine echte Streitsituation hineinzukommen. Die Studie stelle klar eine mangelnde Krisen- und Konfliktfähigkeit junger Menschen fest.
Ein einfühlsamer, respektvoller, empathischer Ton sei wichtig, um Vertrauen zu schaffen, führte Hurrelmann aus. Einbezogen werde müsse zum Beispiel auch, dass ethisch umstrittene Fragen je nach kulturellem Kontext unterschiedlich wahrgenommen würden. Der persönliche Bezug bei der Informationsvermittlung sei ebenfalls bedeutsam.
Wenn man diese Prinzipien der Gesundheitskommunikation aufnehme, könne man einen sachlichen Diskurs mit festen Spielregeln und ohne Diskriminierung sicherstellen, so sein Fazit. Ziel sei, dass am Ende jeder Betroffene seine Gesundheitsentscheidungen auf einer fundierten Basis und in akzeptierenden Atmosphäre entwickeln könne.
Die Veranstaltung des Deutschen Ethikrates drehte sich unter anderem um die Frage, wie der Diskurs etwa über Leihmutterschaft, Eizellspenden und Abtreibungen versachlicht werden könnte.
Kürzlich hatte die Vorlage des Berichts der Expertenkommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin eine Kontroverse ausgelöst. Das Deutsche Ärzteblatt berichtete.
Schwangerschaftsabbrüche sollten in Deutschland nach Einschätzung des Gremiums künftig nicht mehr grundsätzlich strafbar sein. Es äußerte sich auch zu den Themen Eizellspende und Leihmutterschaft, die die Kommission unter bestimmten Umständen für zulässig hält.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte von einem „sehr wichtigen Bericht“ gesprochen, zugleich aber vor einer weiteren „Debatte, die die Gesellschaft spaltet“ gewarnt.
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