Zehn Prozent der Erwerbstätigen arbeiten „suchthaft“

Düsseldorf – Sie arbeiten exzessiv und können in der Freizeit kaum abschalten: Rund zehn Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland zeigt in Bezug auf die Arbeit einer Studie zufolge suchthaftes Verhalten.
Die Betroffenen haben zugleich häufiger Gesundheitsprobleme als andere Erwerbstätige, wie eine Untersuchung des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) und der Technischen Universität Braunschweig zeigt, die heute von der Hans-Böckler-Stiftung veröffentlicht wurde. Die gewerkschaftsnahe Stiftung hatte die Untersuchung gefördert.
Als suchthaftes Arbeiten stufen die Forscher Menschen ein, bei denen zwei Phänomene zusammenkommen: Der oder die Betroffene arbeitet lange und schnell und erledigt verschiedene Aufgaben gleichzeitig. Dies wird als exzessive Arbeit bezeichnet.
Der andere Faktor ist „Getriebenheit“: Die Betroffenen arbeiten hart, auch wenn es keinen Spaß macht, sie haben ein schlechtes Gewissen, wenn sie freinehmen, und sie können nach Feierabend nicht entspannen. Die Betroffenen hätten also gleichsam Entzugserscheinungen in der Zeit ohne Erwerbsarbeit, erläuterten die Forscher.
In einer Befragung von gut 8.000 Erwerbstätigen in den Jahren 2017 und 2018 zeigten der Analyse zufolge 9,8 Prozent suchthaftes Arbeitsverhalten. Von diesen stuften wiederum 28 Prozent ihren allgemeinen Gesundheitszustand als weniger gut oder schlecht ein. Bei den anderen Befragten taten das nur 14 Prozent.
„Die empirischen Ergebnisse zeigen deutlich, dass suchthaftes Arbeiten in Deutschland im Zusammenhang mit schlechterer Gesundheit steht“, heißt es in der Untersuchung. „Gleichzeitig deuten die Ergebnisse darauf hin, dass suchthaft Arbeitende der ärztlichen Behandlung ihrer Beschwerden und ihrer Genesung weniger Beachtung schenken.“
Von den Arbeitssüchtigen gaben nämlich 45 Prozent an, sie hätten sich im zurückliegenden Jahr keinen Tag krank gemeldet. Bei den anderen Beschäftigten waren es nur 36 Prozent. Als mögliche langfristige Folgen von suchthaftem Arbeiten nennen die Fachleute erhöhte Risiken für Burnout oder depressive Verstimmungen. Solche psychischen Leiden könnten zu langwierigen Arbeitsausfällen führen.
Die Autorinnen und Autoren der Studie betonen dabei, dass der Zusammenhang zwischen suchthaftem Arbeiten und Gesundheit „nicht nur ein individuelles Problem“ sei – er könne „sich auch negativ auf die Gesellschaft auswirken“. Für Betriebe seien längere Personalausfälle besonders kostspielig und könnten bei Personalmangel zu längerfristigen Produktionseinbrüchen führen.
„Insbesondere vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels ist die Frage der Prävention von längeren Zeiten der Arbeitsunfähigkeit von hoher Relevanz“, heißt es. „Die Prävention von suchthaftem Arbeiten sollte daher in Zukunft eine bedeutendere Rolle spielen. Hierzu gehört unter anderem, für das Thema zu sensibilisieren und aktiven Gesundheitsschutz in den Unternehmen zu betreiben.“
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: