Ruf nach mehr Studien zum Chronischen Fatigue Syndrom und zur Myalgischen Enzephalomyelitis

Köln – Bei der Diagnose und der Behandlung einer Myalgischen Enzephalomyelitis und eines Chronic Fatigue Syndrome (ME und CFS) bestehen noch viele Unsicherheiten. „Was die Erkrankung verursacht, ist bislang ungeklärt“, hieß es jetzt aus dem Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Die Erkrankung sei selbst vielen Ärzten noch nicht ausreichend bekannt.
Das Institut hat im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) den aktuellen Kenntnisstand zu ME/CFS aufgearbeitet. Der entsprechende Vorbericht ist jetzt erschienen. Interessierte können ihn bis zum 11. November kommentieren.
„Unser Bericht zeigt, dass es sich um eine ernst zu nehmende Erkrankung handelt. In unseren Gesprächen haben uns Betroffene zudem beschrieben, dass sie immer wieder auf Hürden und Missverständnisse stoßen, die ihre Versorgung zusätzlich erschweren“, sagte der IQWiG-Leiter Jürgen Windeler – zum Beispiel würden ihre Beschwerden als „Einbildung“ abgetan.
Was die Erkrankung verursacht, ist nach Angaben der IQWiG-Arbeitsgruppe bislang ungeklärt. Deshalb beschreibe der Name ME/CFS vor allem die Beschwerden: Der Fachbegriff „ME“ steht eher für Muskelschwäche und Schmerzen, „CFS“ für chronische Erschöpfung.
Ein wichtiges diagnostisches Kriterium ist laut IQWiG eine „Post-exertional Malaise“. Dies bedeutet, dass sich die Symptome häufig schon nach leichten körperlichen oder geistigen Aktivitäten verschlimmern und dann tage- oder wochenlang anhalten können.
„Wenn man zur Schätzung, wie viele Betroffene es in Deutschland gibt, diese aktuellen Diagnosekriterien verwendet, kommt man auf vermutlich etwa 70.000 Erwachsene“, berichtet die IQWiG-Arbeitsgruppe. Andere Schätzungen, die auf älteren Kriterien beruhen, beliefen sich auf 250.000 bis 400.000 Betroffene.
Die Studienlage zu den Therapieoptionen ist laut IQWiG dürftig: Das Institut erachtet es dem Vorbericht zufolge nur für zwei Interventionen als sinnvoll, eine ausführlichere Nutzenbewertung durchzuführen: Diese zwei Optionen sind die kognitive Verhaltenstherapie und die Graded Exercise Therapy, auch Aktivierungstherapie genannt. Letztere sei eine schrittweise Erhöhung der körperlichen Aktivität, ausgehend von einem individuellen Ausgangswert.
Aus den Studien leitet das IQWiG für die kognitive Verhaltenstherapie einen Anhaltspunkt für einen kurz- bis mittelfristigen Nutzen ab, der sich etwa in den Endpunkten Fatigue, soziale Teilhabe oder Krankheitsgefühl nach Anstrengung ausdrücke. Längerfristig sei weder ein Vor- noch ein Nachteil zu erkennen.
Für die Graded Exercise Therapy (GET) zeigen sich laut Vorbericht in mehreren patientenrelevanten Endpunkten statistisch signifikante, aber sehr kleine Vorteile gegenüber der Standardtherapie. In den beiden Endpunkten „allgemeines Beschwerdebild“ und „Krankheitsgefühl nach Anstrengung“ sind die Vorteile deutlicher.
Insgesamt gibt es laut IQWiG sowohl kurz- als auch mittelfristig einen Anhaltspunkt für einen Nutzen der GET im Vergleich zur Standardbehandlung. Längerfristig sei wiederum weder ein Vor- noch ein Nachteil zu erkennen.
„Uns ist bewusst, dass gerade die GET in weiten Teilen der Selbsthilfeszene einen miserablen Ruf hat. Es gibt Berichte über deutliche Zustandsverschlechterungen im Zuge einer nach Schema F durchgezogenen Aktivierungstherapie, etwa im Rahmen einer Reha“, sagte Windeler.
Er wies daraufhin, dass an den Studien nur leicht bis moderat erkrankte Personen teilgenommen hätten. Inwieweit deren Ergebnisse auf schwer Erkrankte übertragbar seien, sei fraglich. „Zweitens kann der schlechte Ruf der GET auch durch eine unangemessene Umsetzung gefördert worden sein, bei der beispielsweise das individuelle Ausgangsniveau nicht gut erhoben wurde“, so Windeler.
Der Vorbericht umfasst auch Gesundheitsinformationen, die einen Überblick über die Erkrankung geben sowie die Aspekte Beschwerden, Behandlung und Unterstützung der Betroffenen vertiefen.
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