Ärzteschaft

Ruf nach umfassenden Reformen bei der Katastrophen- und Notfallversorgung

  • Freitag, 28. Februar 2025
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Berlin – Verschiedene medizinische Fachgesellschaften drängen auf umfassende Reformen der Notfall- und Katastrophenmedizin in Deutschland. Als Gründe nennen sie wachsende Herausforderungen durch Naturkatastrophen, Terrorlagen und militärische Bedrohungen.

In einem Positionspapier legen die Fachgesellschaften zehn zentrale Maßnahmen zur Stärkung der medizinischen Resilienz dar und mahnen eine zügige Umsetzung an. Das Papier ist unter der Federführung der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) entstanden.

„Die jüngsten Ereignisse in Magdeburg am 20. Dezember 2024 und München am 13. Februar 2025 haben gezeigt, dass intensive Vorbereitungen sowie regelmäßige Schulungen und Übungen von Notfallkonzepten unabdingbar für eine sichere Patientenversorgung in Krisensituationen und Großschadenslagen sind“, sagte Felix Walcher, Direktor der Klinik für Unfallchirurgie des Universitätsklinikums Magdeburg.

Die Fachgesellschaften kritisieren vor allem eine unzureichende Koordination zwischen Bund und Ländern sowie eine fehlende finanzielle Absicherung für Krankenhäuser im Katastrophenfall.

Um dem entgegenzuwirken, fordert die Autorengruppe die zügige Verabschiedung eines neuen Notfallversorgungsgesetzes, das die Zusammenarbeit zwischen Rettungsdiensten, Krankenhäusern und dem kassenärztlichen Bereitschaftsdienst verbessern sowie digitale Steuerungssysteme für eine schnellere Koordination einführen soll.

Ergänzend wird ein Gesundheitssicherstellungsgesetz vorgeschlagen, das die medizinische Versorgung in Krisenzeiten sichert, indem es klare Vorgaben zur Medikamentenbevorratung, strategischen Patientensteuerung und regelmäßigen Notfallübungen schafft.

Eine verbindliche Regelung der Zuständigkeiten bei Katastrophen oder im Kriegsfall sollte nach Aussagen der Fachgesellschaften eine effektivere Zusammenarbeit aller Beteiligten ermöglichen und bürokratische Hürden abbauen.

Zudem braucht es demnach eine bundesweit einheitliche Leitungsstruktur für die Notfall- und Katastrophenversorgung, einschließlich einer klaren Führungs- und Kommunikationsstruktur für Krankenhäuser sowie einer einheitlichen Nomenklatur für die Katastrophenmedizin.

Auch die Zusammenarbeit mit der Bundeswehr sollte aus Sicht der Autoren gestärkt werden: Während sich der Katastrophenschutz in der Vergangenheit auf militärische Unterstützung stützen konnte, müsse nun auch das zivile Gesundheitssystem auf einen möglichen Verteidigungsfall vorbereitet werden, so die Fachgesellschaften.

Für eine bessere Patientenversorgung in Krisensituationen schlagen die Fachgesellschaften eine strategische Steuerung der Ressourcen vor. Bestehende Strukturen wie das Traumanetzwerk DGU könnten helfen, Patienten in lebensbedrohlichen Einsatzlagen effizient zu verteilen und Überlastungen zu vermeiden. Zusätzlich sollen digitale Plattformen in Echtzeit verfügbare Behandlungskapazitäten erfassen und für eine koordinierte Verteilung sorgen.

Neben strukturellen Reformen sehen die Gesellschaften Handlungsbedarf bei der Schulung des medizinischen Personals. Sie fordern eine gesetzlich verankerte Verpflichtung zur regelmäßigen Aktualisierung von Alarm- und Einsatzplänen sowie zur Durchführung interdisziplinärer Notfallschulungen und Großschadensübungen.

Auch bauliche Sicherheitsmaßnahmen für Krankenhäuser müssten gesetzlich geregelt werden, um sie besser gegen Amok- und Terrorlagen sowie für den Kriegsfall vorzubereiten. Außerdem sollten Materialkontingente zentral vorgehalten und Krankenhäuser in die Sanitätsmittelbevorratung des Bundes einbezogen werden.

Die Bedeutung des Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) für die Resilienz des Gesundheitssystems betont der Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD).

„Besonders in Notlagen, in denen die Bundeswehr anderweitig eingesetzt wird, übernimmt der ÖGD wichtige Aufgaben“, sagte der stellvertretende Vorsitzende des Verbandes, Emanuel Wiggerich. Mit seinen Expertisen in der Bevölkerungsmedizin seien sowohl ärztliche als auch nicht ärztliche Fachkräfte in der Lage, in Krisenzeiten schnell auszuhelfen und koordinierende Funktionen zu übernehmen

Mitgearbeitet an dem Positionspapier haben unter anderem die Bundesvereinigung der Arbeitsgemeinschaften der Notärzte Deutschlands (BAND), die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI), die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie (DGCH), die Deutsche Gesellschaft für Interdisziplinäre Notfall- und Akut-medizin (DGINA) und die Deutsche Gesellschaft Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN).

hil

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