Unfallchirurgen sehen Kliniken auf militärischen Ernstfall nicht vorbereitet

Berlin – Im militärischen Krisenfall müssen auch ausreichend Mittel für die Ausstattung des Gesundheitssystems bereitstehen. Darauf drängen Orthopäden und Unfallchirurgen.
Es dürfe nicht nur Ausgaben für eine militärische Wehrhaftigkeit Deutschlands geben, sondern es müssten auch Folgekosten berücksichtigt werden, erklärte die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) gestern. „Sollte es zu einem militärischen Ernstfall kommen, muss die Versorgung etwaiger verletzter Soldaten sowie die Regelversorgung der Zivilbevölkerung sichergestellt sein.“
Die DGOU wies darauf hin, dass eine einseitige Planung nur für den Sanitätsdienst der Bundeswehr zu kurz greifen würde, weil dessen Ressourcen schnell ausgeschöpft wären. „Auch die zivile Medizin muss einbezogen werden“, mahnte die Fachgesellschaft.
Damit Krankenhäuser und ärztliches Personal konsequent und im erforderlichen Umfang darauf vorbereitet werden könnten, dränge die Zeit und man benötige jetzt die dafür erforderlichen Gelder, sagte Dietmar Pennig, Generalsekretär der DGOU und der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU).
„Niemand will, dass der militärische Ernstfall eintritt, doch träte er ein, wären unsere Krankenhäuser nicht ausreichend darauf vorbereitet“, betonte Bernd Kladny, stellvertretender Generalsekretär der DGOU.
Die Orthopäden und Unfallchirurgen attestieren den deutschen Krankenhäusern hinsichtlich der Versorgung von Kriegsverletzungen und der Organisation für den Ernstfall einen erheblichen Nachholbedarf. Lediglich die fünf Bundeswehrkrankenhäuser seien mit besonderen Kenntnissen ausgestattet, hieß es.
„Eine NATO-Simulation von 1.000 Kriegsverletzten pro Tag zeigt, dass in einem militärischen Bündnisfall die dafür vorgesehenen Betten der Bundeswehrkrankenhäuser und der assoziierten BG-Kliniken innerhalb von 48 Stunden ausgelastet wären“, sagte Pennig.
Die fünf Bundeswehrkrankenhäuser hätten rund 1.800 Betten, die neun berufsgenossenschaftlichen Kliniken 2.200 Betten. „Hier ist der verbesserte organisatorische Zugriff auf die 35.000 Betten und die gesamte anzupassende Infrastruktur des Traumanetzwerks dringend geboten.“
Als notwendig erachtet die Fachgesellschaft unter anderem eine Schulung des ärztlichen Personals, ein Training von Arzt- und Pflegepersonal in Kliniken für den Massenanfall von Verletzten, die Ausbildung von Chirurgen für den Ernstfall – insbesondere für die operative Versorgung von Kriegsverletzungen wie Schusswunden oder durch Sprengsätze mit der Folge von verstümmelten Gliedmaßen.
Kliniken müssten vernünftig ausgestattet werden. Dazu gehörten etwa zusätzliche Notfallinstrumente und -materialien in ausreichender Menge, da Lieferketten unterbrochen sein könnten. Darüber hinaus müsse der Ernstfall geprobt und Kliniken 24 Stunden vom Netz genommen werden.
Für erforderlich halten die Orthopäden und Unfallchirurgen auch angepasste Organisationsstrukturen. So müsse eine zivil-militärische Stabsstelle zur Koordinierung der Verteilung von Verletzten eingerichtet und Steuerungsinstrumente zur Kapazitätsabfrage vernetzt werden.
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