Vermischtes

Rund drei Viertel der Menschen in Deutschland mit geringer Gesundheitskompetenz

  • Mittwoch, 2. April 2025
/Photographee.eu, stockadobecom
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München – Eine deutliche Mehrheit der Menschen in Deutschland empfindet den Umgang mit Gesundheitsinformationen einer Untersuchung zufolge als schwierig. Über eine hohe Gesundheitskompetenz verfüge nur knapp einer von vier Befragten (24,2 %), geht aus einem Ergebnisbericht von Forschenden der TU München (TUM) und des Instituts für Digitale Gesundheit (IDG) im Auftrag des Wort & Bild Verlages hervor (2025; DOI: 10.14459/2025md1772956). Dieser ist heute in München vorgestellt worden.

Demnach fällt es 75,8 % der 2.000 Befragten nicht immer leicht, Informationen zum Wiederherstellen, Bewahren und Fördern ihrer Gesundheit zu nutzen und diesbezüglich informierte Entscheidungen zu fällen. Sie schneiden bei der im Sommer 2024 durchgeführten Onlineerhebung bei der empfundenen Gesundheitskompetenz mit „inadäquat“ beziehungsweise „problematisch“ ab.

„Als Gruppen mit erhöhtem Risiko für eine niedrige Gesundheitskompetenz können im Rahmen dieser Studie jüngere Menschen identifiziert werden sowie Menschen, welche in den ‚alten’ Bundesländern wohnen“, heißt es im Report. Die Forschenden werten ihre Ergebnisse im Vergleich zu bisherigen Erkenntnissen als weitere Verschlechterung der Gesundheitskompetenz hierzulande.

Sie verweisen auf frühere Arbeiten zweier anderer Forschender: Diese hatten den Anteil der Menschen mit niedriger Gesundheitskompetenz im Jahr 2014 noch auf etwa 54 % und im Jahr 2020 noch auf rund 64 % beziffert. Ein direkter Vergleich der Werte ist wegen unterschiedlicher verwendeter Fragebögen aber nur eingeschränkt möglich. Die Forscher berichten, dass sie aufgrund des Studiendesigns auch die Ursachen der Entwicklung nicht zweifelsfrei klären könnten.

Es erscheine jedoch plausibel, dass es für die Menschen in Zeiten zunehmender Verbreitung von Falsch- und Fehlinformationen und zunehmender Internetnutzung tatsächlich schwieriger werde, an verlässliche, verständliche und evidenzbasierte Informationen zu gelangen.

Als besonders schwierig beschrieben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Umfrage das kritische Beurteilen gesundheitsrelevanter Informationen, heißt es im Ergebnisbericht. Vor allem der Bereich der Krankheitsbewältigung/-versorgung ist demnach für die Menschen herausfordernd.

Auch das Auffinden von Informationen zum Umgang mit psychischen Problemen beurteilten die Menschen als mit am schwierigsten, berichtete Mitautorin Alexandra Fretian, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Gesundheitskompetenz der TU München, bei der Ergebnispräsentation.

Zu den Punkten, die viele Befragte hingegen als einfach werteten, gehörte das Befolgen von Empfehlungen von ihrem Arzt oder Apotheker und das Finden von Infos über gesunde Lebensweisen.

Die Untersuchung ist den Forschenden zufolge hinsichtlich Alter, Geschlecht und Bildung für die internetnutzende Bevölkerung in Deutschland repräsentativ.

Um die allgemeine Gesundheitskompetenz zu messen, nutzten sie den HLS19-Q12-Fragebogen mit zwölf Fragen zur empfundenen Schwierigkeit, Informationen in den Bereichen Krankheitsbewältigung, Krankheitsprävention und Gesundheitsförderung zu finden, zu verstehen, zu beurteilen und anzuwenden. Hinzu kamen weitere Fragen, etwa zum Gesundheitsstatus der Teilnehmenden. Die Erhebung ist Teil der Studie „Psychische Gesundheitskompetenz in Deutschland“.

Das Forscherteam verweist auf empirische Hinweise, denen zufolge Mängel bei der Gesundheitskompetenz mit negativen gesundheitlichen Folgen einhergehen können: Betroffene berichteten über einen schlechteren subjektiven Gesundheitsstatus und geringere Lebensqualität, sie bewegten sich weniger, hätten häufiger Übergewicht und würden beispielsweise häufiger stationär in Kliniken aufgenommen.

Auf mangelnde Gesundheitskompetenz gingen in Deutschland nach Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Folgekosten für das Gesundheitssystem in Höhe von bis zu 24 Milliarden Euro pro Jahr zurück, sagte Kai Kolpatzik, Chief Scientific Officer des Wort & Bild Verlags, bei der Ergebnispräsentation.

Er sprach mit Blick auf die Ergebnisse von einem Weckruf. „In einer Zeit, in der automatisierte Chatbots gezielte Fehlinformationen platzieren, Fake News salonfähig geworden sind, da können wir nicht erwarten und hoffen, dass Menschen sich schon irgendwie im Informationsdschungel zurechtfinden, um gute Entscheidungen zu treffen“, sagte er.

Zu den Vorschlägen zum Verbessern der Gesundheitskompetenz, die heute gemacht wurden, zählen beispielsweise Gesundheitsbildung und Stärkung der Medienkompetenz schon bei Kindern und eine Einschränkung von an Kinder gerichteter Werbung für ungesunde Lebensmittel. Gesundheitskompetenz müsse auf die politische Agenda gesetzt werden, mahnte Kolpatzik.

Die Ergebnisse zeigten, dass in der Bundesrepublik mehr Anstrengungen nötig seien, sagte die bayerische Staatsministerin für Gesundheit, Pflege und Prävention, Judith Gerlach (CSU). Gesundheitsinformationen müssten besser übermittelt werden. Das Thema müsse in allen Lebensbereichen ankommen. „Es darf nicht bei Broschüren bleiben.“ Es müsse schlussendlich auch zu einer Umsetzung und einer Einsicht bei den Menschen kommen.

Gerlach plädierte für eine noch stärkere Beteiligung der Bundesländer durch die Bundesregierung. Gebraucht würden konkrete Maßnahmen zur Förderung der Gesundheitskompetenz, die sich an den Lebensrealitäten der Bevölkerung orientieren und vor allem die notwendige Vernetzung vor Ort gewährleisten. Nach Angaben Gerlachs soll in Bayern in diesem Jahr noch ein Präventionsplan vorgestellt werden, der neben körperlichen auch auf psychische Erkrankungen abziele.

„Die Studie bestätigt, was viele Patientinnen und Patienten täglich erleben: Sie fühlen sich im Gesundheitssystem zunehmend verloren“, erklärte der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Stefan Schwartze (SPD). Er forderte, dass verständliche Kommunikation zum Standard werden müsse, „von der Arztpraxis bis zur digitalen Gesundheitsanwendung“.

Gesundheitsförderung, Gesundheitsbildung und die Vermittlung digitaler Kompetenzen müssten stärker in der politischen Agenda verankert werden, so Schwartze weiter. „Gesundheitskompetenz ist kein Luxus – sie ist Voraussetzung für eine partizipative, gerechte, sichere und moderne Versorgung.“

ggr

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