Sachsen: Trichinen in Wildschweinen
Görlitz – Das Landratsamt Görlitz hat vor Ostern Produkte eines lokalen Anbieters von Wildschweinprodukten zurückrufen lassen, da nicht ausgeschlossen werden könne, dass sie Trichinellen enthalten. In Deutschland kommt es nur sporadisch zu Erkrankungen durch die Nematoden, deren Larven sich in der quergestreiften Skelettmuskulatur abkapseln und auf den Verzehr ihres Zwischenwirts warten.
Die Trichinellose ist eine weltweit verbreitete Zoonose. Das Reservoir sind vor allem Schweine und Pferde, wobei Haustiere infolge der Fleischbeschaus heute kein Risiko mehr darstellen. Vor der Einführung im Kaiserreich gab es in Deutschland jährlich etwa 15.000 Erkrankungen. Auch Wildschweine sollten heute vor der Verarbeitung veterinärmedizinisch geprüft werden. Inwiefern hier Kontrollen nicht beachtet wurden, ist offen.
Die behördlichen Ermittlungen dauern an, schreibt das Landratsamt Görlitz. Dem Vertreiber wurde keine Schuld zugeschrieben. Das Unternehmen, das die Produkte auf lokalen Märkten vertrieb, sei seit den 90er Jahren in der Region erfolgreich und beanstandungsfrei tätig, heißt es in der Pressemitteilung, es habe nach den Erkenntnissen des Landkreises alle lebensmittelrechtlichen Vorschriften und Hygienebedingungen eingehalten.
Obwohl nicht klar ist, ob die Produkte, Wildschweinbraten, Wildschweinknacker, tatsächlich Trichinen enthalten, wurde die Bevölkerung der Region Görlitz dringend vor einem Verzehr gewarnt. Ein Infektionsrisiko besteht im Prinzip nur beim Verzehr von nicht durchgegarten Produkten. Temperaturen im Kern des Fleisches von mindestens 70 °C über eine Minute töten Trichinella-Larven nach Angaben des Robert-Koch-Instituts mit Sicherheit ab. Darauf sollten sich die Verbraucher allerdings nicht verlassen. Sie wurden aufgefordert, die zurückgerufenen Produkte zu entsorgen.
Verbraucher, die die Wildschweinfleischerzeugnisse bereits verzehrt haben, sollten unverzüglich ihren Hausarzt oder entsprechende medizinische Einrichtungen aufsuchen. Die Beschwerden bei einer Trichinellose sind oft unspezifisch. Bei stärkerem Befall kann es wenige Tage nach der Infektion zu Durchfällen und abdominellen Beschwerden kommen. Sie sind charakteristisch für die enterale Phase, in der sich die Würmer in das Dünndarmepithel bohren, wo sie sich innerhalb von 30 Stunden zum adulten Tier entwickeln und paaren.
Die Gefahr geht von den Larven aus, die nach der Geburt durch die Dünndarmwand via Lymphwege in den Blutkreislauf gelangen. In dieser Migrationsphase kommt es, etwa eine Woche nach der Infektion, zu hohem Fieber, Schüttelfrost, ausgeprägten Myalgien und periorbitalen Ödeme. Weitere mögliche Symptome sind laut dem RKI-Ratgeber für Ärzte urtikarielle oder makulopapulöse Exantheme, subunguale Blutungen, Konjunktivitiden, Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit, Schluckstörungen, trockener Husten, Petechien und schmerzhafte Bewegungsstörungen der Augenmuskeln.
Sollten sich im Raum Görlitz tatsächlich Menschen infiziert haben, könnte eine Therapie in der intestinalen Phase eine systemische Erkrankung verhindern. Mittel der Wahl sind Mebendazol und Albendazol. Patienten mit schweren Erkrankungen (z.B. schwere Myositis, Myokarditis) werden mit einer Kombinationstherapie von Glukokortikoiden und Mebendazol behandelt.
Trichinellosen sind in Deutschland eine seltene Erkrankung. Von 2001 bis 2011 wurden dem RKI insgesamt 63 Fälle übermittelt. Nicht selten infizierten sich Personen im Ausland beziehungsweise nach dem Verzehr von im Ausland privat erworbenen Lebensmitteln tierischen Ursprungs. In Mecklenburg-Vorpommern erkrankten 2006 insgesamt 16 Personen nach dem Verzehr eines privat gehaltenen und geschlachteten Hausschweins.
Im Jahr 2011 wurden dem RKI 3 Trichinellosen übermittelt. Ein Patient erkrankte nach einer Jagdreise nach Kanada, während der ein erlegter Eisbär verzehrt wurde. Für die anderen beiden Erkrankungen wurden als mögliche Infektionsländer Deutschland beziehungsweise Polen genannt.
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