Medizin

SARS-CoV-2: Virusgene am Huananmarkt und frühe Ausbreitung in der Umgebung stützen zoonotische Herkunft

  • Montag, 28. Februar 2022
/picture alliance, ASSOCIATED PRESS, Yomiuri Shimbun
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Peking und Tucson/Arizona – Chinesische Forscher berichten in Research Square (2022; DOI: 10.21203/rs.3.rs-1370392/v1), dass sie nach der Schließung des Huanan-Markts in Wuhan vor Ort in zahlreichen Umweltproben, nicht aber bei den dort gehandelten Tieren SARS-CoV-2 nachgewiesen haben. Eine geografische Analyse der ersten Erkrankungen bestätigt laut einer Publikation in Zenodo (2022; DOI: 10.5281/zenodo.6299116), dass der Markt vermutlich das Epizentrum der Pandemie war, wobei die Forscher sogar von 2 zoonotischen Ereignissen ausgehen (Zenodo 2022; DOI: 10.5281/zenodo.6291628).

Die chinesischen Behörden haben den Huanan-Markt am Morgen des 1. Januars 2020 schließen lassen, da sie davon ausgingen, dass die atypischen Pneumonien, die von verschiedenen Kliniken gemeldet wurden, dort ihren Ursprung hatten. Diese verständliche Aktion, die aber die weitere Ausbreitung nicht stoppen konnte, hat dazu geführt, dass der Ursprung der Pandemie vermutlich niemals aufgeklärt werden wird.

Immerhin konnte ein Team des chinesischen „Center for Disease Control and Prevention“ (China CDC) in den 3 Monaten nach der Schließung und vor der endgültigen Reinigung Ende März noch 923 Proben von Oberflächen und 457 organische Proben entnehmen. Dabei handelte es sich um Tierprodukte, die noch in den Lagern und Kühlschränken vorhanden waren, sowie um streunende Hunde und Katzen oder Ratten.

Vor dem 1. Januar waren auf dem Markt zahlreiche heimische exotische Tiere gehandelt worden. Nach den Recherchen von George Gao von der chinesischen Akademie der Wissenschaften in Peking und Mitarbeitern waren darunter Schlangen, zahlreiche Vogelarten (Hühner, Enten, Gänse, Fasane und Tau­ben), Sikahirsche, Dachse, Kaninchen, Bambusratten, Stachelschweine, Igel, Salamander, Riesensalaman­der, Lorbeerkrokodile, Siamkrokodile und andere Spezies.

Einige Tiere wie Schlangen, Salamander und Krokodile wurden als lebende Tiere angeboten. Diese Tiere konnten die Forscher allerdings nicht untersuchen, da sie bei der Schließung abtransportiert worden waren. Die Verhältnisse auf dem Markt werden als beengt beschrieben mit einen direkten Kontakt zwischen den Tieren und den Händlern aber wohl auch den Kunden.

In keiner der Tierproben wurde SARS-CoV-2 nachgewiesen. Den Forschern gelang es also nicht, den Überträger der Zoonosen zu finden. Sie konnten seinen Aufenthaltsort auf dem über 50.000 m2 großen Markt jedoch auf einen kleinen Abschnitt im westlichen Teil eingrenzen. Hier wurden 56 der 64 positi­ven Proben gefunden von insgesamt 828 aus Käfigen oder von Oberflächen entnommenen Proben. Weitere 24 positive Proben wurden in Abfallbehältern in der Umgebung des Marktes gefunden.

Die Viren wurden mittels der Polymerase-Kettenreaktion nachgewiesen. Teilweise gelang es den Forschern auch, mit den Proben Zellkulturen zu infizieren, was die Existenz lebender Viren nachweist. Die Viren konnten auch auf elektronenmikroskopischen Bildern sichtbar gemacht werden.

Die Viren könnten natürlich auch von den ersten Erkrankten im Dezember zum Markt transportiert worden sein. Dann wären sie aber gleichmäßig an allen Orten des Marktes aufgetreten und nicht an einer bestimmten Ecke des Marktes. Die Forscher von China CDC hatten auch 30 Proben auf anderen Märkten entnommen. Von diesen war laut Gao keine einzige positiv.

Zu der Übertragung auf dem Huanan-Markt passt auch, dass es sich bei dem ersten dokumentierten Fall um einen Händler von dort handelte. Dies hatte im letzten Jahr eine Untersuchung der Weltgesundheits­or­ganisation (WHO) mit chinesischen Behörden ergeben. Auch die meisten der 156 Infizierten, deren Wohnort ein Team um Michael Worobey von der Universität in Arizona jetzt recherchieren konnte, lebten in der Nähe des Marktes. Das traf auch für die Fälle zu, bei denen die Untersuchung der WHO keinen Besuch des Huanan-Markt nachweisen konnte. Worobey vermutet, dass es sich um erste sekundäre Fälle handelte.

Auch im Januar und Februar hielten sich die meisten der weiteren 737 Infizierten, deren Aufenthalt die Forscher anhand der Sozial-Media App „Weibo“ lokalisieren konnte, in einem jetzt weiteren Umkreis des Huanan-Marktes auf. Worobey ist deshalb ebenfalls überzeugt, dass die weltweite Pandemie in einer Ecke des Huanan-Marktes ihren Ursprung nahm, wo möglicherweise noch mit anderen als den offiziell bekannten Tieren gehandelt wurde. Die Händler auf den chinesischen Märkten sind dafür bekannt, dass sie es mit den offiziellen Regeln nicht so genau nehmen, wenn sie ihre Kunden mit Spezialitäten für die vielfältige chinesische Küche versorgen wollen.

Den beiden Teams aus den USA und China ist aufgefallen, dass im Dezember 2019 leicht unterschied­liche Varianten von SARS-CoV-2 in Wuhan kursierten. Worobey vermutet, dass es in den letzten Wochen des Jahres 2019 gleich zu 2 zoonotischen Übertragungen gekommen ist.

Aus den genetischen Veränderungen (und einer angenommenen Mutationsrate) lässt sich das Entsteh­ungs­datum berechnen. Die 1. zoonotische Übertragung könnte Ende November/Anfang Dezember 2019 (frühestens Anfang November 2019) aufgetreten sein, die nächste folgte wenige Wochen später. Eine ähnliche mehrfache Entstehung wird laut Worobey für die Entstehung von SARS-CoV-1 vermutet, das im 2002/2003 eine kurze Epidemie ausgelöst hat, die jedoch anders als bei SARS-CoV-2 noch rechtzeitig gestoppt werden konnte.

rme

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