Medizin

Schlaganfall: Wahrscheinlichkeit auf Vorhofflimmern steigt mit Dauer des Langzeit-EKGs

  • Donnerstag, 26. Juni 2014

Rom/Toronto – Ein Vorhofflimmern als Ursache eines Schlaganfalls wird beim üblichen 24-Stunden-EKG häufig übersehen. Dies zeigen aktuelle Studien, in denen die Überwachungszeit mit einem konventionellen Gerät auf 30 Tage oder mit einem implantierbaren Herzmonitor auf 12 Monate verlängert wurde.

Bei etwa 20 bis 40 Prozent aller ischämischen Schlaganfälle bleibt die Herkunft des Thrombus, der die Hirnarterie blockiert hat, unklar. Experten vermuten, dass bei vielen Patienten ein subklinisches Vorhofflimmern vorliegt, das durch das Raster des üblichen 24-Stunden-EKG fällt. Einen Hinweis hierfür liefern Beobachtungsstudien an Trägern von implantierbaren Kardiovertern/Defibrillatoren (ICD), die EKGs über Monate oder Jahre registrieren und mit der Zeit immer mehr kurze Phasen eines Vorhofflimmerns dokumentieren. Die American Heart Association hält es deshalb in ihrer kürzlich aktualisierten Leitlinie zur Schlaganfallprävention für vernünftig (“reasonable”), das Langzeit-EKG bei Patienten mit ungeklärtem Schlaganfall auf 30 Tage auszudehnen.

Das Canadian Stroke Network hat diesen Ansatz jetzt in einer randomisierten Studie (EMBRACE) untersuchen lassen, in der 572 Patienten nach kryptogenem Schlaganfall oder transitorischer ischämischer Attacke entweder die übliche Abklärung mit einem 24-Stunden-EKG durchführten oder aber für 6 Monate einen „Cardiac Event Monitor“ (des Herstellers Braemar) trugen. Das Gerät leitet das EKG wie bei der 24-Stunden-Messung ab, zeichnet jedoch nur Episoden einer Arrhythmie auf.

Wie David Gladstone von der Universität Toronto und Mitarbeiter im New England Journal of Medicine (2014; 370: 2467-2477) berichten, stieg der Anteil der Patienten, bei denen ein mindestens 30 Sekunden andauerndes Vorhofflimmern entdeckt wurde, von 3,2 Prozent unter einem erneuten 24-Stunden-EKG auf 16,1 Prozent an. Die absolute Differenz von 12,9 Prozentpunkten bedeutet, dass nur 8 Patienten gescreent werden müssen, um ein zusätzliches Vorhofflimmern zu diagnostizieren.

Bei 9,9 Prozent aller Patienten wurde bei der Sechsmonatsmessung ein Vorhofflimmern von mindestens 2,5 Minuten gefunden. Die Diagnose hatte zur Folge, dass schon nach 90 Tagen bei 18,6 Prozent der Patienten eine orale Antikoagulation eingeleitet wurde. In der Kontrollgruppe war die Indikation nur bei 11,1 Prozent der Patienten gestellt worden. Eine orale Antikoagulation wird von den Leitlinien nur dann empfohlen, wenn ein Vorhof­flimmern diagnostiziert wurde.

Die anderen Patienten erhalten in der Regel nur niedrig-dosiertes ASS, dessen Schutz­wirkung vor einem Schlaganfall jedoch geringer ist als bei einer oralen Antikoagulation. Die Ausdehnung der EKG-Langzeitmessung auf sechs Monate könnte deshalb die Rate der Unterdiagnosen senken.

Noch längere Messzeiten sind mit einem implantierbaren Herzmonitor möglich, der in einem dreiminütigen Eingriff subkutan unter einer Hautfalte im Brustbereich implantiert wird. Das Gerät kann nach Auskunft des Herstellers Medtronic bis zu drei Jahre lang 24 Stunden täglich kardiale Arrhythmien erkennen und aufzeichnen. In der CRYSTAL AF-Studie wurde das Gerät einem randomisierten Vergleich unterzogen. Teilnehmer waren 441 Patienten, die einen kryptogenen Schlaganfall erlitten hatten mit einem Negativbefund in einem ersten konventionellen Langzeit-EKG.

Die ebenfalls im New England Journal of Medicine (2014; 370: 2478-2486) publizierten Ergebnisse zeigen, dass der implantierbare Herzmonitor bei 8,9 Prozent der Patienten ein Vorhofflimmern von wenigstens 30 Sekunden Länge aufzeichnete, während in der Kontrollgruppe bei 1,4 Prozent der Patienten in dieser Zeit ein Vorhofflimmern diagnostiziert wurde (absoluter Unterschied 7,5 Prozentpunkte, Number Needed to Screen 13).

Bei einer längeren Implantationszeit von drei Jahren könnte ein implantierbarer Herzmonitor möglicherweise ein Drittel aller kryptogenen Schlaganfälle auf ein subklinisches Vorhofflimmern zurückführen, vermutet Hooman Kamel vom Weill Cornell Medical College in New York. Ob diese Patienten dann tatsächlich von einer oralen Antikoagulation profitieren, sollte nach Ansicht des Editorialisten jedoch von weiteren klinischen Studien untersucht werden.

Die therapeutische Breite der oralen Antikoagulation ist bekanntlich eng und das Nutzen-Risiko-Verhältnis könnte bei Patienten mit subklinischem Vorhofflimmern mit kurzen Arrhythmiephasen anders sein als bei den derzeit etablierten Indikationen.

rme

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