Vermischtes

Sechs Klinikmitarbeiter wegen Patientenmord-Serie von Niels H. angeklagt

  • Freitag, 25. November 2016

Oldenburg – Die beispiellose Mordserie des Krankenpflegers Niels H. hat nun auch Kon­sequenzen für einige seiner früheren Vorgesetzten und Kollegen: Die Staats­anwalt­schaft Oldenburg erhob gegen sechs Mitarbeiter einer Delmenhorster Klinik Anklage wegen Tot­schlags durch Unterlassen. Sie sollen 2005 trotz konkreter Verdachts­momente nicht eingeschritten sein und es dadurch ermöglicht haben, dass H. drei Patienten tötete und es bei zwei weiteren versuchte.

„Die Anklage geht davon aus, dass die Angeschuldigten die Taten von Niels H. billigend in Kauf nahmen. Sie sollen aus Angst um die Reputation der Klinik und aus Angst, sich dem Vorwurf der falschen Verdächtigung auszusetzen, untätig geblieben sein“, teilten die Staatsanwaltschaft und die Polizei in Oldenburg mit. Konkret geht es um einen Zeitraum von mehreren Wochen im Mai sowie Juni 2005, kurz vor der Festnahme von H.

Der Krankenpfleger soll zwischen 2003 und 2005 nach dem derzeitigem Ermittlungs­stand mindestens 36 Menschen auf der Intensivstation des Delmenhorster Kranken­hauses durch Verabreichung nicht verordneter Medikamente getötet haben, in einem weiteren Fall blieb es bei einem Versuch. Er gilt zudem als dringend verdächtig, zuvor an einer Klinik in Oldenburg sechs Patienten getötet zu haben. Die Ermittlungen laufen noch.

Wegen sechs der Fälle aus Delmenhorst wurde H. inzwischen in zwei separaten Pro­zessen verurteilt. Er verbüßt bereits eine lebenslange Freiheitsstrafe.

Bei den sechs nun Angeklagten handelt es sich um den damaligen Stationsleiter, seine beiden Stellvertreterinnen, einen Pfleger und zwei Oberärzte im Alter zwischen 47 und 67 Jahren. Ihnen wird Totschlag durch Unterlassen in jeweils einem bis fünf Fällen vorge­wor­fen. Ihnen drohen damit mindestens fünf Jahre Haft.

Laut Anklage hatten die Beschuldigten spätestens ab Mai oder Juni 2005 handeln müss­en, weil sie konkrete Verdachtsmomente gegen H. hatten. Er blieb gleichwohl bis zu ei­nem regulären Urlaub Ende Juni im Dienst. In dieser Zeit soll er drei Patienten getötet und es bei zwei weiteren versucht haben. Während seines Urlaubs wurde H. festge­nom­men und entlassen.

Nach seiner Festnahme kam H. aufgrund einer erfolgreichen Haftbeschwerde 2005 zu­nächst wieder auf freien Fuß. Erst seit seiner Verurteilung im ersten Prozess 2008, in dem es um eine von einer Kollegin direkt beobachteten Tat im Juni 2005 ging, befindet er sich endgültig in Haft.

H. verabreichte seinen Opfern Medikamente, die lebensbedrohliche Zustände auslös­ten, um sie wiederzubeleben. Oft starben die Patienten. Die Motive von H. blieben in den bis­herigen Prozessen unklar. Er gestand die Tötung von etwa 30 Patienten ein, schwieg an­sonsten aber. In seinem Urteil von 2015 ging das Oldenburger Landgericht davon aus, dass H. mit Reanimationen glänzen wollte. Er habe Menschen „zu Objekten degradiert“.

Die Ermittlungen zu der Mordserie verliefen zäh und kamen trotz des ersten Prozesses und weiterer Hinweise erst nach und nach immer mehr in Gang. Das führte unter ande­rem auch schon zu einer Anklage gegen einen früheren Staatsanwalt wegen Strafver­eitlung.

afp

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