So lassen sich freiheitsentziehende Maßnahmen in Pflegeheimen reduzieren

Düsseldorf – Es gibt nur wenige Maßnahmen, die dazu beitragen können, sogenannte freiheitsentziehende Maßnahmen (FEM) in Pflegeheimen zu reduzieren ohne das Sturzrisiko zu erhöhen. Das berichtet eine Arbeitsgruppe um Ralph Möhler vom Centre for Health and Society (chs) am Universitätsklinikum Düsseldorf in einem aktualisierten Cochrane Review (DOI: 10.1002/14651858.CD007546.pub3).
FEM in Pflegeheimen wie Bettgitter oder Gurtfixierungen sind ethisch problematisch, weil sie meist bei Menschen mit demenziellen Erkrankungen eingesetzt werden, die dem Einsatz der Maßnahmen nicht selbst zustimmen können. Gerechtfertigt wird der Einsatz von FEM meist mit dem Schutz vor Stürzen und damit einhergehenden Verletzungen.
Allerdings haben die Maßnahmen auch zahlreiche negative Folgen. Sie können sich zum Beispiel ungünstig auf die körperliche Verfassung und Beweglichkeit auswirken und damit das Risiko für Stürze und letztlich den Pflegebedarf sogar erhöhen. Die Maßnahmen können außerdem Ängste oder aggressives Verhalten auslösen oder verstärken. Leitlinien empfehlen daher, möglichst auf FEM zu verzichten.
Die Cochrane-Arbeitsgruppe hat jetzt die wissenschaftliche Evidenz von Maßnahmen und Strategien analysiert, die den Einsatz von FEM vermeiden oder reduzieren sollen. Die Arbeitsgruppe vom Universitätsklinikum Düsseldorf konnte dabei elf Studien mit insgesamt 19.003 Teilnehmenden identifizieren, die unterschiedliche Interventionen untersucht haben.
Die beste Evidenz fanden die Cochrane-Gruppe für sogenannte organisationsbezogene Interventionen, die in vier Studien mit 17.954 Teilnehmenden untersucht wurden. Sie bestehen aus verschiedenen einzelnen Maßnahmen, die als Paket darauf abzielen, das Wissen sowie die Fähigkeiten und Strategien zu FEM bei den Pflegenden und den Leitungspersonen zu verbessern.
In drei Studien wurden beispielsweise Mitarbeiter geschult, individuelle Strategien zur Vermeidung von FEM für ihre Einrichtung zu entwickeln und umzusetzen und dabei auch die Leitungsebene einzubeziehen. Solche organisationsbezogenen Interventionen können die Zahl der Bewohner und Bewohnerinnen mit FEM in Pflegeheimen laut den Studien um 14 Prozent reduzieren.
Sechs Studien untersuchten Schulungsprogramme, die das Wissen und die Haltungen bezüglich der Anwendung von FEM adressieren, aber nicht durch weitere Maßnahmen ergänzt wurden. Die Ergebnisse dieser Studien waren laut der Arbeitsgruppe widersprüchlich.
„Die Ergebnisse dieses Reviews zeigen, dass FEM in Pflegeheimen reduziert werden können, ohne dass die Zahl der Stürze oder sturzbedingten Verletzungen ansteigt. Auch gab es in den ausgewerteten Studien keine Hinweise, dass stattdessen häufiger sedierende Medikamente verordnet wurden“, erläutert der Erstautor Ralph Möhler. Allerdings reichten Schulungen des Personals alleine vermutlich nicht aus. „Eine entscheidende Rolle spielt die Unterstützung der Leitungskräfte“, so Möhler.
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