Spahn für weitere Kennzahlen als Coronapandemierichtwert

Berlin – Es braucht in der Coronapandemie „zwingend weitere Kennzahlen, um die Lage zu bewerten“, etwa die Zahl der neu aufgenommenen COVID-19-Patienten im Krankenhaus. Das hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) heute in der Bild klargestellt. Mit steigender Impfrate verliere die Inzidenz an Aussagekraft, sagte der Minister.
Ganz auf die Inzidenz verzichten will Spahn jedoch nicht: Bei weitem seien nicht ausreichend Menschen in Deutschland geimpft, „um ganz auf den Blick auf die Inzidenz verzichten zu können“. Der Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI) Lothar Wieler hatte am vergangenen Montag in einer Bund-Länder-Schalte eine Niedriginzidenzstrategie gefordert und vor einer vierten Welle gewarnt.
Auch viele Länder unterstützen die Debatte über neue Indikatoren für die Bewertung des Pandemiegeschehens. Berlin und Rheinland-Pfalz sprachen sich in den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland heute für ein bundesweites Coronaampelsystem aus, das neben der Sieben-Tage-Inzidenz auch die Krankenhausauslastungen berücksichtigt.
„Aktuell gibt es eine bundesweite Debatte über die Verwendung des Inzidenzwertes als entscheidende Maßzahl, die rasch zu einer bundeseinheitlichen Regelung führen sollte“, sagte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD).
Durch den Impfschutz sage die Inzidenz heute viel weniger über die Gefahr einer Erkrankung und die mögliche Belastung des Gesundheitssystems aus. „Deswegen müssen die Bundesländer mit der Bundesregierung zu einem neuen Warnwert kommen“, forderte Dreyer.
Als Grundlage könne ein Ampelsystem unter Einbeziehung einer Hospitalisierungsinzidenz dienen, wie es bereits diskutiert werde. Das setzte die Zahl der Infektionen in Relation zur Anzahl der Erkrankten in den Krankenhäusern und gebe somit eine sehr gute Orientierung. „Darauf könnten wir aufbauen und sehr schnell einen neuen Warnwert entwickeln, der einen nachvollziehbaren Gefährdungsgrad für die gesamte Gesellschaft angibt“, sagte Dreyer.
Auch Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) hält eine Ergänzung der Inzidenz um andere Faktoren für sinnvoll. „In Berlin haben wir seit über einem Jahr mit der Coronaampel ein System, das neben der Inzidenz auch andere Indikatoren wie beispielsweise die Intensivbettenauslastung erfasst. Das ist, glaube ich, der richtige Weg“, sagte er.
Abgeordnete von FDP und Linke fordern wiederum eine Anpassung des Infektionsschutzgesetzes, um neben der Inzidenz weitere Faktoren zur Grundlage künftiger Coronamaßnahmen zu machen. Michael Theurer, FDP-Fraktionsvize im Bundestag, will „möglichst zeitnah“ eine Änderung im Infektionsschutzgesetz, wie er der Welt sagte.
Gesundheitsminister Spahn solle darauf hinwirken, dass ein „dynamischer Faktor“ eingeführt werde – etwa bestehend aus der Impfquote, verfügbaren Krankenhausbetten und der Kapazität der Gesundheitsämter. Dieser Faktor solle dann mit der Inzidenz multipliziert werden.
Die Entscheidung über eine Anpassung des Infektionsschutzgesetzes gehöre „dringend zurück in den Bundestag“, forderte Achim Kessler, der gesundheitspolitische Sprecher der Linke-Fraktion.
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