Spanische Contergan-Opfer bekommen Hilfe vom Staat

Madrid – Mehr als 60 Jahre nach dem Contergan-Arzneimittelskandal bekommen die noch lebenden spanischen Opfer finanzielle Hilfe vom Staat. Die einmalige Zahlung könne innerhalb der nächsten drei Monate beantragt werden, teilte die Regierung gestern nach der Billigung der Unterstützung durch den Ministerrat in Madrid mit.
Wie viel Geld die Opfer des Beruhigungsmittels des deutschen Pharmaunternehmens Grünenthal bekommen werden, hängt vom Behinderungsgrad ab. Bei einem Behinderungsgrad von 33 Prozent seien es zum Beispiel 396.000 Euro, ließ das Ministerium für Soziale Rechte wissen.
„Endlich fangen wir an, eine der größten Schanden unseres Landes zu beseitigen: die völlige Vernachlässigung der Contergan-Opfer“, sagte Ministerin Ione Belarra in einem auf Twitter geposteten Video.
Der Interessenverband Avite begrüßte die Entscheidung, beklagte aber, dass nur 130 Betroffene die Zahlung bekommen sollen. Um die Zahl der antragsberechtigten Personen zu ermitteln, hatte das Institut Carlos III in Madrid jüngst 600 Fälle geprüft.
„Es sind nicht 130, sondern Hunderte mehr. Die Beweise sind in vielen Fällen nicht schlüssig. 50 und 60 Jahre später kämpfen wir immer noch“, sagte Avite-Präsident José Riquelme der Zeitung La Vanguardia. Sehr viele Opfer seien leider schon gestorben, klagte er.
Riquelmes Verband kämpft seit 2004 für die Rechte der Contergan-Opfer in Spanien. 2013 hatte man von einem Madrider Gericht Recht bekommen. Höhere Instanzen urteilten alle unter Berufung auf die abgelaufene Verjährungsfrist gegen Avite, zuletzt 2016 das Verfassungsgericht.
Laut Avite hatten bisher nur 24 spanische Opfer auf verschiedenen Wegen Hilfen erhalten. Grünenthal gibt an, einige Betroffene hätten in Spanien seit 1973 Leistungen von der Conterganstiftung bekommen.
Das Schlaf- und Beruhigungsmittel Contergan hatte Ende der 1950er-Jahre einen der größten Arzneimittelskandale ausgelöst. Rund 10.000 Kinder kamen weltweit mit schweren körperlichen Missbildungen zur Welt, davon 5.000 in Deutschland.
Nach Avite-Angaben gab es allein in Spanien rund 3.000 Opfer, weil das Mittel hier während der Franco-Diktatur länger verschrieben worden sei als in anderen Ländern.
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