Politik

SPD-Politikerin räumt Versäumnis bei Finanzierung des Gesundheitssystems ein

  • Mittwoch, 28. September 2022
Martina Stamm-Fibich (SPD)/picture alliance, Flashpic, Jens Krick
Martina Stamm-Fibich (SPD)/picture alliance, Flashpic, Jens Krick

Berlin – Die ehemalige Große Koalition von CDU/CSU und SPD habe es in den vergangenen Jahren versäumt, die Finanzierung des Gesundheitswesens langfristig sicherzustellen. Entsprechende Fehler räumte die Bun­destagsabgeordnete und SPD-Berichterstatterin für Arzneimittel, Martina Stamm-Fibich, gestern bei einer Diskussionsrunde am Rande der Mitgliederversammlung des Bundesverbands der Arzneimittelhersteller (BAH) ein.

Die Finanzierung des deutschen Gesundheitssystems steht derzeit auf dem Prüfstand. Bereits in den vergan­genen Jahren fuhr das System der gesetzlichen Krankenver­sicherung (GKV) erhebliche finanzielle Defizite ein. Für dieses Jahr konnte ein ergänzender Bundeszuschuss von 14 Milliarden Euro das System vorübergehend stabilisieren. Für das kommende Jahr fehlen voraussichtlich rund 17 Milliarden Euro und das Problem wird sich höchstwahrscheinlich weiter verschärfen.

Um die Finanzierungslücken zu stopfen, hatte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vor einigen Wochen ein GKV-Finanzstabilisierungsgesetz vorgelegt. Der Gesetzentwurf erntete in den vergangenen Wo­chen allerdings Kritik von allen Seiten. Heute folgt dazu eine öffentliche Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestages.

„Wir haben nie etwas an der Einnahmenseite gemacht, in vier Jahren nicht an einer Schraube gedreht. Und das war unser Fehler“, sagte Stamm-Fibich gestern. Der Gesundheitspolitikerin zufolge wollte die SPD in der vergangenen Legislaturperiode Reformen etwa hinsichtlich der Pflegeversicherung angehen. Dies sei allerdings von der Union abgewiegelt worden, so Stamm-Fibich sinngemäß.

Auch das Problem der Finanzierung der Krankenversicherungsbeiträge der ALG-2-Empfänger durch den Bund habe die Große Koalition nicht gelöst. „Strukturell haben wir auch nichts dazu beigetragen, das wir über die Beitragsbemessungsgrenze sprechen und wir haben keine Sektoren aufgelöst“, so Stamm-Fibich weiter.

„Wir haben viele Gesetze gemacht, die viel Geld kosten, das wussten wir beide. Aber auf der Einnahmenseite etwas zu erhöhen, da war nichts zu machen“, sagte sie zudem in Richtung des CDU-Politikers und gesund­heitspolitischen Sprechers der Unionsfraktion, Tino Sorge.

Dieser kritisierte die Ampelkoalitionäre nach wie vor dafür, dass der vorliegende Gesetzentwurf lediglich minimale Einsparpotenziale vorsehe, anstatt die Finanzierung des Systems längerfristig und planbarer zu gestalten. Der Entwurf beinhalte weiter „völlig sinnlose Einzelvorschläge“.

Der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Andrew Ullmann, erklärte, das jetzige GKV-Finanzstabilisie­rungs­gesetz sei ein „Notbehelf“. Die Aufgabe der Ampelregierung sei es nun, Perspektiven auch für die Gesundheitsindustrie für die kommenden Jahre aufzuzeigen.

Der Onkologe kritisierte aber fehlende erste Schritte der ehemaligen Großen Koalition in Richtung Struktur­wandel, Lieferkettensicherung und Förderung von Produktions­stätten vor Ort. Neben dem nötigen Struktur­wandel müsse das Gesundheitssystem nun zudem stärker von Digitalisierungsprozessen profitieren und das Thema Prävention müsste stärker in den Fokus gerückt werden.

Damit könne auch Geld eingespart werden, so Ullmann. „Wir denken Gesundheit immer noch von der Krank­heit aus. Aber wir müssen unser Leben so gestalten, dass wir nicht krank werden.“

Die Bundestagsabgeordnete und Gesundheitspolitikerin Paula Piechotta (Grüne) verteidigte den vorgelegten GKV-Finanzplan und ent­sprechende Haushaltspläne. Die Finanzierung befinde sich heute in einer qualitativ anderen Situation als noch vor der Pandemie, so die Radiologin. Und: Man müsse nicht alles gut finden, was Lauterbach sage, aber er ginge die Finanzierung konkret an, so wie es im Koalitionsvertrag angekündigt gewesen sei.

Piechotta betonte, Ziel sei es nun, das Gesundheitswesen stabil durch das nächste Jahr zu bekommen, die Versorgung für Patientinnen und Patienten sowie die Arbeitsbedingungen für Beschäftigte im Gesundheits­wesen und für die angeschlossene Industrie sicherzustellen.

cmk

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