Spermienzahl sinkt vor allem in westlichen Ländern

Jerusalem/New York – Immer weniger Spermien sind pro Milliliter im Sperma enthalten, und auch die Spermienanzahl pro Samenerguss sinkt seit 1973. Vor allem in westlichen Ländern sei ein Spermienschwund um 50 bis 60 Prozent zu verzeichnen, wie Forscher um Hagai Levine von der Hebrew University-Hadassah in einem Review berichten, das in Human Reproductive Update erschienen ist (2017; doi: 10.1093/humupd/dmx022). Inwiefern deswegen die Fruchtbarkeit des Mannes sinke, könne die Studie nicht belegen, sagt Stefan Schlatt von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, der nicht an der Studie beteiligt war.
Der systematische Review mit einer Meta-Regressionsanalyse dokumentiert erneut anhand von 185 Studien, was schon ähnliche Übersichtsarbeiten zuvor gezeigt haben: Die Spermienanzahl nimmt seit Jahren stetig ab (siehe Grafik). Dabei geht es allein um die Zahl der Spermien, nicht um deren Beweglichkeit oder morphologische Veränderungen.

Die Konzentration von Spermien pro Milliliter Sperma ist bei Männern aus Nordamerika, Europa, Australien und Neuseeland zwischen 1973 und 2011 um insgesamt 52,4 Prozent gesunken. Die Gesamtanzahl von Spermien pro Samenerguss ist im gleichen Zeitraum bei der gleichen Gruppe von Männern um 59,3 Prozent gesunken. Bei Männern aus anderen Weltregionen – Südamerika, Asien und Afrika – wurden hingegen keine solch statistisch signifikanten Trends entdeckt. „Es gibt zu wenig Daten aus nicht-westlichen Ländern, um Rückschlüsse zu ziehen“, teilt die Autorin Shanna Swan dem Deutschen Ärzteblatt mit. Erst wenn mehr Studien den Unterschied bestätigen würden, könnte man dies als Hinweise auf mögliche Ursachen wie Lebensstilfaktoren deuten. Dazu könnten nach ihrer Einschätzung Stress, Übergewicht oder Chemikalien zählen.
Für Schlatt zeigt die erneute Meta-Analyse schlüssig: „In den westlichen Industrienationen passiert irgend etwas, was dazu führt, dass dieses sensible Organ, die Hoden, schlechter Spermien produzieren lässt.“ Der Trend habe sich in den vergangenen Jahren stabilisiert; auch das zeige die Studie, sagt der Direktor des Centrums für Reproduktionsmedizin und Andrologie an der Universität Münster.
Anlass zur Panik bestünde aber nicht: „Die Männer in den westlichen Industrienationen haben immer noch rund 47 Millionen Spermien je Milliliter Ejakulat. Damit ist der Mann sehr fertil.“ Zum Vergleich: Die Weltgesundheitsorganisation nennt als Referenzwert für Unfruchtbarkeit beim Mann zum Beispiel eine Spermienzahl von 39 Millionen pro Ejakulat oder eine Konzentration von 15 Millionen Spermien je Milliliter Ejakulat. „Also rutscht mit der Zeit eine kleine Gruppe von Männern unter diese Zahl, aber das ist nicht bedenklich.“ Das eigentliche Problem für Fruchtbarkeit von Paaren sei das Alter – nicht das Alter des Mannes, sondern das der Frau.
Ein bedenklicher Trend
Auch Artur Mayerhofer vom BioMedizinisches Centrum an der Ludwig-Maximilians-Universität München überraschen die Ergebnisse nicht. „Eine Vielzahl von Berichten liegen dazu vor, die neue Studie stellt aber möglicherweise die Spitze des Eisbergs dar.“ Dieser Trend, auf den die Arbeit hinweise – unter anderem die Zunahme von Hodentumoren und Kryporchidismus, der Zusammenhang mit allgemeiner Morbidität und Mortalität –, ist aus Mayerhofers Sicht bedenklich.
Eine Aussage über die Ursachen der vermuteten Spermien-Krise lassen die Daten nicht zu. Mit Ausnahme des Rauchens, wofür ein kausaler Zusammenhang nachgewiesen ist, bleibt der Effekt aller anderen Faktoren weiterhin unklar: „Das Handy in der Hosentasche, endokrine Disruptoren aus der Umwelt, die Acetylsalicylsäure im Schmerzmittel, ein anderer Hormonstoffwechsel wegen Übergewicht oder der Missbrauch von Hormonen für den Muskelaufbau: All das steht im Verdacht, Ursache für weniger Spermien zu sein.“
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