Vermischtes

„Sport wirkt für Transplantierte in vielen Fällen besser als jedes Medikament“

  • Donnerstag, 11. September 2025

Dresden – Deutschland war in diesem Jahr zum ersten Mal Gastgeber der Weltspiele der Transplantierten (World Transplant Games): Bei den speziellen Weltmeisterschaften traten im August mehr als 1.500 Athletinnen und Athleten mit Spenderorgan in 17 Sportarten an, darunter Leichtathletik, Radrennen, Schwimmen und Tennis. Die Teilnehmenden aus 51 Nationen zeigten nicht nur, was mit einem neuen Organ möglich ist, sondern machten auch grundsätzlich auf das Thema Organspende aufmerksam.

Im Rahmen der Spiele wurde beim IPSOT-Symposium zwei Tage lang über die Rolle körperlicher Aktivität bei der Transplantation solider Organe – von der Prähabilitation bis zur langfristigen Erholung – diskutiert. Christian Hugo, Leiter der Nephrologie und des KfH-Dialysezentrums am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden und einer der wissenschaftlichen Vorsitzenden des Symposiums, erzählt von der einmaligen Woche und ihrer Bedeutung für die Transplantationsmedizin.

Christian Hugo, Leiter der Nephrologie und des KfH-Dialysezentrums am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden /Universitätsklinikum Dresden
Christian Hugo, Leiter der Nephrologie und des KfH-Dialysezentrums am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden /Universitätsklinikum Dresden

5 Fragen an den Transplantationsmediziner Christian Hugo

Wie haben Sie die World Transplant Games und das begleitende IPSOT-Symposium in Dresden erlebt? Was hat Sie besonders beeindruckt?
Die Stimmung war außergewöhnlich – getragen von einer besonderen Emotionalität und Gemeinschaft. Sportlerinnen und Sportler aus vielen Ländern haben einander gefeiert, unabhängig von Alter oder Leistung. Besonders berührt hat mich ein vier- oder fünfjähriger Junge, der beim 25-Meter-Lauf allein startete und unter Standing Ovations ins Ziel kam.

Eindrucksvoll, bewegend und inspirierend waren auch die persönlichen Geschichten im Symposium: Regina Richtmann, eine sehr junge herztransplantierte Patientin, berichtete, wie sie dank Sport nach ihrer Transplantation wieder ins Leben zurückfand. Und Elmar Sprink, ebenfalls herztransplantiert, zeigte mit seinen Triathlon- und Ultramarathon-Erfolgen, dass für Transplantierte praktisch alles möglich ist. Das hat die Botschaft unterstrichen: Grenzen gibt es kaum.

Insgesamt stand nicht nur der sportliche Wettkampf im Vordergrund, sondern das gemeinsame Erlebnis. Es ging darum, Sport und das zweite Leben zu feiern – und genau das hat die besondere Atmosphäre dieser Woche ausgemacht.

Welche Bedeutung haben die Spiele und das Symposium aus Ihrer Sicht für die Weiterentwicklung von Transplantationsmedizin und Nachsorge in Deutschland?
Für uns war es etwas Besonderes, dass die Spiele erstmals in Deutschland stattfanden – und dass Dresden als Gastgeber dafür ausgewählt wurde. Natürlich stehen die Spiele für Emotion, das erstmalig in dieser Form stattfindende Symposium aber hat auch die wissenschaftliche Dimension gezeigt: Rehabilitation vor, während und nach Transplantation wurde umfassend diskutiert, und die Diskussionen nach den Vorträgen waren sehr lebendig.

Deutlich wurde, welche überragende Rolle Bewegung spielt – nicht nur körperlich, sondern auch für die psychische Gesundheit. Gerade für chronisch kranke Patientinnen und Patienten ist Sport ein entscheidender Faktor gegen Depression und zur Stärkung von Resilienz. Er wirkt in vielen Fällen besser als jedes Medikament, ist aber in den Programmen noch unterrepräsentiert.

Es gibt bereits Projekte, die Bewegung gezielt in die Nachsorge integrieren, etwa das Programm „NierenTx360°“ und „Fit for Kidney Transplantation“ und andere. Aber insgesamt sind es noch zu wenige. Der Anteil der Transplantierten, die regelmäßig Sport treiben, ist bislang mit etwa einem Drittel noch zu gering – hier gibt es großes Potenzial.

Die World Transplant Games können das wissenschaftlich und emotional sichtbar machen und helfen, das Thema stärker in die Öffentlichkeit zu tragen. Geplant ist, dass unser Begleitkongress mit dieser Thematik alle zwei Jahre weitergetragen wird.

Welchen Einfluss hat regelmäßiger Sport auf die körperliche und psychische Gesundheit von Transplantierten, und welche Sportarten empfehlen Sie nach einer Transplantation besonders?
Grundsätzlich gibt es keine Einschränkungen – jeder sollte das tun, was ihm Freude macht. Lange Zeit galten bestimmte Ballsportarten als riskant, doch die Erfahrung zeigt: Auch Fußball ist ohne Probleme möglich, mit einfachen Schutzmaßnahmen, falls nötig.

Gerade bei Herztransplantierten spielen Ausdauersportarten eine Rolle, weil sie die spätere Reinnervation des Herzens unterstützen. Schnelle Sportarten mit abrupten Belastungen können in der Anfangsphase anspruchsvoller sein, sind aber nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Wichtig ist, dass Patientinnen und Patienten möglichst früh beginnen und ihre Sportart frei wählen können – es gibt keine „eine“ Empfehlung für alle.

Wo sehen Sie die größten Herausforderungen im Bereich Organspende in Deutschland, insbesondere mit Blick auf die noch unzureichende Spendebereitschaft und aktuelle Gesetzgebungen?
Das Hauptproblem ist nicht die Bereitschaft – in Umfragen stimmen rund 80 Prozent für Organspende. Ablehnung ist die Ausnahme. Aber die Strukturen und gesetzlichen Regelungen stellen noch immer große Hürden auf.

Das zeigt sich vor allem daran, dass unverändert zumeist die Angehörigen in der schlimmsten schmerzhaften Situation des Todes im Akutfall für den Verstorbenen und in Unkenntnis seines Willens entscheiden müssen – und dann in drei Vierteln der Fälle „Nein“ sagen. Eine sogenannte Widerspruchslösung würde das ändern.

Leider findet dieses Modell in Deutschland seit Jahren keine politische Mehrheit und wird oft fälschlich und emotionsgeladen als „Bevormundung“ oder „Zwang“ und noch schlimmer dargestellt.

In Wahrheit würde es den Willen der Bevölkerung besser abbilden und könnte dazu beitragen, dass die Organspende in die Mitte der Gesellschaft gehoben wird und sich dann über Jahre eine „Organspendekultur“ entwickeln kann.

Wie können niedergelassene und klinisch tätige Ärztinnen und Ärzte die Lebensqualität ihrer transplantierten Patientinnen und Patienten nachhaltig verbessern? Welche Rolle spielt multidisziplinäre Zusammenarbeit dabei?
Auf dem Weg zur Transplantation gibt es bereits viel Multidisziplinarität: Psychologische Betreuung, enge Zusammenarbeit zwischen Transplantationszentren, Dialysepraxen und Nephrologien. In der Nachsorge wechseln die Patientinnen und Patienten meist zwischen Zentrum und Praxis – das sichert eine gute Interaktion.

Allerdings gibt es auch Grenzen: Entfernungen, Fahrtkosten oder fehlende Angebote vor Ort erschweren den Zugang. Deshalb wäre es sinnvoll, Rehamaßnahmen nicht nur einmalig nach Transplantation anzubieten, sondern auch regelmäßig zu wiederholen – mit gezielten Schulungsprogrammen. Künftig können auch Telemedizin und digitale Angebote die Zusammenarbeit verbessern.

Wichtig bleibt, Patientinnen und Patienten immer wieder zu motivieren – zum Sport, zur Teilnahme an Programmen, zu regelmäßigen Kontakten und zu gesundheitsförderlichem Verhalten ganz generell.

all

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung