Sporthormon Irisin bremst Morbus Parkinson bei Mäusen

Baltimore – Das Peptid Irisin, das auch beim Menschen nach sportlichen Aktivitäten von Muskelzellen freigesetzt wird, hat in einer experimentellen Studie an Mäusen den Abbau von Alpha-Synuklein in den Lysosomen der Hirnzellen beschleunigt und dadurch die Ausbreitung eines parkinsonähnlichen Krankheitsbildes vermindert. Die Ergebnisse wurden in den Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS 2022; DOI: 10.1073/pnas.2204835119) veröffentlicht.
Vor gut 10 Jahren hatte ein Team um Bruce Spiegelman vom Dana-Faber Institute in Boston entdeckt, dass Muskelzellen nach sportlichen Aktivitäten ein kurzes Polypeptid ans Blut abgeben, das möglicherweise eine hormonelle Wirkung hat.
Die Aminosäuresequenz des Sporthormons, das sie nach der einer griechischen Götterbotin Irisin nannten, ist bei Mäusen und Menschen zu 100 % identisch, was auf eine wichtige Funktion im Stoffwechsel hindeutet. Welche Funktion dies ist, konnte bisher nicht sicher ermittelt werden.
Zunächst vermuteten die Forscher, dass Irisin nach dem Sport die Umwandlung von weißem in braunes Fettgewebe fördert. Dies wäre ein Wandel vom Energiespeicher zu einem Wärmeproduzenten. Braunes Fettgewebe ist allerdings beim Menschen von untergeordneter Bedeutung.
Inzwischen vermuten die Forscher, dass Irisin eine positive Wirkung auf das Gehirn haben könnte. Im Hippocampus soll es die Neubildung von Synapsen fördern, was die günstige Wirkung von sportlichen Aktivitäten auf kognitive Fähigkeiten erklären könnte.
Sportliche Übungen haben sich auch in der Frühphase des Morbus Parkinson als hilfreich erwiesen. In einer Reihe von randomisierten Studien konnte gezeigt werden, dass sich ein Ausdauertraining günstig auf motorische Fähigkeiten, Gleichgewicht und Gangbild der Patienten auswirkt (PLoS ONE 2014; DOI: 10.1371/journal.pone.0100503).
In der aktuellen Studie hat das Team um Ted Dawson von Johns Hopkins Medicine die möglichen Auswirkungen von Irisin auf diese degenerative Hirnerkrankung untersucht.
Ein Modell der Erkrankung sind Mäuse, denen eine Variante von Alpha-Synuklein ins Striatum injiziert wird. Es handelt sich um eine vorgeformte Fibrille (preformed fibril, PFF), die sich im Gehirn wie ein Prion verhält. Sie verändert die Konfiguration von natürlichem Alpha-Synuklein so, dass dieses in den Lysosomen abgelagert wird.
Diese Ablagerungen ähneln den Lewy-Körperchen, die ein Merkmal des Morbus Parkinson sind. Einige Forscher vermuten, dass ein Morbus Parkinson sich im Gehirn in ähnlicher Weise ausbreiten kann wie Prionen, was das Fortschreiten der Erkrankung und die spätere Entwicklung einer Demenz erklären würde.
Die Mäuse erkrankten nach der Injektion der PFF an einem parkinsonähnlichen Krankheitsbild. Dies konnte bei den Tieren durch eine Gentherapie verhindert werden, die eine Kopie des Irisin-Gens in der Leber ablegte. Die Mäuse produzierten dann vermehrt Irisin, das als kleines Peptid die Blut-Hirn-Schranke passiert. Die weiteren Untersuchungen ergaben, dass Irisin in den Nervenzellen den Abbau von PFF fördert und damit eine Akkumulation verhindert.
Diese Wirkung wurde auch im Labor an Kulturen von Gehirnzellen beobachtet. Auch hier verhinderte Irisin, dass es zu einer Anhäufung von PFF und damit zum Absterben der Zellen kam.
Inwiefern die Ergebnisse für Patienten mit Morbus Parkinson klinisch relevant sind, ist unklar. Die Forscher haben sich jedoch bereits ein Patent für die Anwendung beim Menschen gesichert. Da die Halbwertzeit von Irisin kurz ist, käme in erster Linie eine Gentherapie infrage.
Das Gen für Irisin würde dabei in adeno-assoziierte Viren verpackt. Diese würden nach einer einmaligen Infusion die Leber infizieren und dort kontinuierlich das Protein herstellen. Eine solche Therapie müsste vor einer Zulassung natürlich sorgfältig in präklinischen und klinischen Studien geprüft werden.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: