Stäbchen-Netzhautrezeptoren für das Sehen wichtiger als gedacht

Tübingen – Stäbchen-Lichtrezeptoren in der Retina könnten für das Sehen eine größere Bedeutung haben als bislang angenommen. Das legen Untersuchungen einer Arbeitsgruppe um Thomas Münch vom Forschungsinstitut für Augenheilkunde und dem Werner-Reichardt-Centrum für Integrative Neurowissenschaften der Universität Tübingen nahe. Ihre Arbeit ist in der Fachzeitschrift Nature Communications erschienen (2017; doi: 10.1038/s41467-017-01816-6).
Die Fotorezeptoren in der Netzhaut bestehen aus lichtempfindlichen Zellen, die das Sehen ermöglichen, indem sie Licht in elektrische Signale umwandeln. Es gilt als allgemein bekannt, dass die Stäbchen für das Sehen bei sehr schwachem Licht verantwortlich sind. Zapfen dagegen erlauben uns, bei starkem Licht und in Farbe zu sehen. Diese Arbeitsteilung zwischen Stäbchen und Zapfen findet sich in praktisch allen Biologie- und Medizinlehrbüchern.
Die Forscher der Universitäten Tübingen, Manchester und Helsinki untersuchten transgene Mäuse ohne funktionierende Zapfen und fanden hier bei starker Lichteinstrahlung in der Netzhaut und im Gehirn Signale aus den Stäbchen. Anschließend konnten sie diese auch in Tieren finden, deren Zapfen normal arbeiteten. Angesichts dieser Befunde erscheint es ihnen offensichtlich, dass die bis dato von den meisten Wissenschaftlern verwendeten Modelle unvollständig sein müssen. „Wir haben gezeigt, dass Stäbchen in hellem Licht eine Funktion haben, aber es bleibt schon dabei, dass Zapfen diese Funktion viel besser und verlässlicher erfüllen“, erläuterte Münch.
Die neuen Erkenntnisse könnten aber neue Wege für die Behandlung von Patienten ohne funktionierende Zapfen eröffnen, sogenannte Achromaten. Dem alten Paradigma zufolge wäre der Ansatz abwegig erschienen, zur Behandlung solcher Sehstörungen bei den Stäbchen anzusetzen. „Mithilfe der nun vorliegenden Studie über Stäbchenfunktion in hellem Licht könnte es nun aber gelingen, neue Wege zu Therapien für Patienten ohne Zapfensicht zu finden“, hieß es aus der Arbeitsgruppe.
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