Stammzellen können direkt zu Motoneuronen umprogrammiert werden
Berlin/New York – Wie die Mechanismen der direkten Programmierung von Stammzellen für Zellersatztherapien eingesetzt werden könnten, haben Wissenschaftler aus Deutschland und den USA untersucht. Im Fachmagazin Cell Stem Cell beschreiben sie einen dynamischen, mehrstufigen Prozess, in dem mehrere unabhängige Veränderungen zusammenlaufen, um Stammzellen in Motoneuronen zu verwandeln (2016; doi: 10.1016/j.stem.2016.11.006).
„Eine Zelle des Embryos durchläuft bei ihrer Entwicklung mehrere Zwischenstadien“, erklärte Uwe Ohler, Wissenschaftler am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC) in Berlin und einer der Hauptautoren der Studie. „Bei der direkten Programmierung fallen diese Zwischenschritte weg. Wir tauschen das komplette Transkriptionsnetzwerk der Zelle mit einem Schlag aus, ohne dass dabei die zellulären Zwischenphasen durchlaufen werden.“ Dieses Verfahren zur direkten Programmierung könnte eines Tages genutzt werden, um bestimmte Zelltypen aus anderen zu erzeugen und so fehlende oder geschädigte Zellen zu ersetzen.
„Es gibt großes Interesse an der Erzeugung von Motoneuronen, um grundlegende Entwicklungsprozesse sowie Erkrankungen wie die amyotrophe Lateralsklerose und die spinale Muskelatrophie zu erforschen“, sagte Shaun Mahony, Assistenzprofessor für Biochemie und Molekularbiologie an der Pennsylvania State University und einer der Hauptautoren des Artikels.
Die Forscher hatten bereits zuvor den Nachweis erbracht, dass sich durch die Expression von drei Transkriptionsfaktoren – also Genen, die die Expression anderer Gene steuern – Stammzellen von Mäuseembryonen in Motoneuronen umwandeln lassen. Jetzt ging es ihnen um genauere Erkenntnisse der zellulären und genetischen Mechanismen. Dabei stießen sie nach eigenen Angaben auf ein „überraschendes Maß an Komplexität“. Die Programmierung der Stammzellen zu Neuronen sei das Ergebnis zweier unabhängiger Transkriptionsprozesse, die letztendlich zusammenlaufen.
Zu Beginn dieses Prozesses arbeiten zwei der beteiligten Transkriptionsfaktoren – Isl1 und Lhx3 – zusammen. Sie binden sich an das Genom und setzen eine Reihe von Ereignissen in Gang, darunter Veränderungen an der Chromatinstruktur und der Genexpression in den Zellen.
Der dritte Transkriptionsfaktor, Ngn2, bewirkt unabhängig davon weitere Veränderungen an der Genexpression. Im weiteren Verlauf des Transformationsprozesses nutzen Isl1 und Lhx3 Zellveränderungen, die von Ngn2 ausgelöst wurden, um die Umwandlung abzuschließen. Um dieselbe Zellveränderung durch direkte Programmierung zu erwirken, müssen diese beiden Prozesse erfolgreich koordiniert werden.
„Unsere Untersuchungsergebnisse geben Hinweise auf mögliche neue Ansätze für verbesserte gentherapeutische Verfahren“, meinte Esteban Mazzoni, Assistenzprofessor am Fachbereich Biologie der New York University und ebenfalls ein Hauptautor der Studie.
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