Medizin

Stammzellen können direkt zu Motoneuronen umprogrammiert werden

  • Montag, 19. Dezember 2016

Berlin/New York – Wie die Mechanismen der direkten Programmierung von Stammzellen für Zellersatztherapien eingesetzt werden könnten, haben Wissenschaftler aus Deutsch­land und den USA untersucht. Im Fachmagazin Cell Stem Cell beschreiben sie einen dy­na­mischen, mehrstufigen Prozess, in dem mehrere unabhängige Veränderungen zusam­men­laufen, um Stammzellen in Motoneuronen zu verwandeln (2016; doi: 10.1016/j.stem.2016.11.006).

„Eine Zelle des Embryos durchläuft bei ihrer Entwicklung mehrere Zwischenstadien“, er­klärte Uwe Ohler, Wissenschaftler am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC) in Berlin und einer der Hauptautoren der Studie. „Bei der direkten Programmierung fallen diese Zwischenschritte weg. Wir tauschen das kom­plette Transkriptionsnetzwerk der Zelle mit einem Schlag aus, ohne dass dabei die zellu­lären Zwischenphasen durchlaufen werden.“ Dieses Verfahren zur direkten Progra­mmie­rung könnte eines Tages genutzt werden, um bestimmte Zelltypen aus anderen zu erzeu­gen und so fehlende oder geschädigte Zellen zu ersetzen.

„Es gibt großes Interesse an der Erzeugung von Motoneuronen, um grundlegende Ent­wicklungsprozesse sowie Erkrankungen wie die amyotrophe Lateralsklerose und die spi­nale Muskelatrophie zu erforschen“, sagte Shaun Mahony, Assistenzprofessor für Bio­che­mie und Molekularbiologie an der Pennsylvania State University und einer der Haupt­autoren des Artikels.

Die Forscher hatten bereits zuvor den Nachweis erbracht, dass sich durch die Expres­si­on von drei Transkriptionsfaktoren – also Genen, die die Expression anderer Gene steu­ern – Stammzellen von Mäuseembryonen in Motoneuronen umwandeln lassen. Jetzt ging es ihnen um genauere Erkenntnisse der zellulären und genetischen Mecha­nis­men. Da­bei stießen sie nach eigenen Angaben auf ein „überraschendes Maß an Komplexität“. Die Programmierung der Stammzellen zu Neuronen sei das Ergebnis zweier unabhängi­ger Transkriptionsprozesse, die letztendlich zusammenlaufen.

Zu Beginn dieses Prozesses arbeiten zwei der beteiligten Transkriptionsfaktoren – Isl1 und Lhx3 – zusammen. Sie binden sich an das Genom und setzen eine Reihe von Ereig­nissen in Gang, darunter Veränderungen an der Chromatinstruktur und der Gen­expres­si­on in den Zellen.

Der dritte Transkriptionsfaktor, Ngn2, bewirkt unabhängig davon weitere Veränderungen an der Genexpression. Im weiteren Verlauf des Transformationsprozesses nutzen Isl1 und Lhx3 Zellveränderungen, die von Ngn2 ausgelöst wurden, um die Umwandlung abzu­schließen. Um dieselbe Zellveränderung durch direkte Programmierung zu erwir­ken, müs­s­en diese beiden Prozesse erfolgreich koordiniert werden.

„Unsere Untersuchungsergebnisse geben Hinweise auf mögliche neue Ansätze für ver­besserte gentherapeutische Verfahren“, meinte Esteban Mazzoni, Assistenzprofessor am Fachbereich Biologie der New York University und ebenfalls ein Hauptautor der Studie.

hil

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