Medizin

Thrombozyten aus Stammzellen hergestellt

  • Montag, 11. April 2016
Uploaded: 11.04.2016 18:47:09 by mis
Ein Beutel mit Thrombozyten /dpa

Cambridge – Britischen Forschern ist ein wichtiger Fortschritt in der Herstellung von Thrombozyten in Zellkulturen gelungen. Die aus etwa einer Million Stammzellen differenzierten Megakaryozyten produzierten genügend Thrombozyten für drei Thrombozyten-Konzentrate üblicher Größe. Ein klinischer Einsatz ist laut der Publikation in Nature Communications (2016; doi: 10.1038/ncomms11208) in absehbarer Zeit jedoch nicht geplant.

Das Team um Cedric Ghevaert vom Cambridge Stem Cell Institute des Medical Research Council ist nicht das erste, dass Thrombozyten in Zellkulturen hergestellt hat. Dies war vorher auch anderen Forschern gelungen. Kein Team war jedoch in der Lage, die Produktion so weit zu steigern, dass dabei am Ende genügend Thrombozyten für einen klinischen Einsatz herauskamen.

Der Bedarf ist enorm: Immerhin enthält jeder Liter Blut zwischen 150 und 450 Milliarden Blutplättchen. Hergestellt werden sie im Knochenmark von einem Heer von Mega­karyozyten, die täglich eine Billion der kurzlebigen kleinen Plättchen ans Blut abgeben. Von diesen wird erwartet, dass sie sich im Fall eines Gefäßschadens (durch Änderung ihres Zytoskeletts) flach über der Läsion ausbreiten, sich durch Fibrinbindung mit benachbarten Thrombozyten zu einem Thrombus zu verbinden und durch die Freisetzung ihrer Granula die definitive Blutgerinnung zu fördern.

Den britischen Forschern ist zumindest der erste Schritt zur Massenproduktion gelungen. Ausgangsmaterial waren pluripotente Stammzellen, die aus Fibroblasten der Haut gewonnen wurden. Dies ist seit einigen Jahren mit Hilfe von Genen möglich, die mittels Retroviren in das Erbgut der Fibroblasten geschleust werden. Um die Stamm­zellen zu überreden, sich in Megakaryoten zu verwandeln, waren drei weitere Steuergene, sogenannte Transkriptionsfaktoren, erforderlich.

Ghevaert gelang die Vorwärts-Programmierung mit den Genen GATA1, FLI1 und TAL. Bereits nach zehn Tagen hatten die Stammzellen Form und Funktion von Mega­karyozyten angenommen und mit der Produktion von Thrombozyten begonnen, die durch Abschnürung von kleinen „Membransäckchen“ aus den Megakaryozyten entstehen. Die Kulturen konnten über 90 Tage oder länger am Leben erhalten werden. Während dieser Zeit wurden dann aus einer Kultur von einer Million Stamm­zellen/Megakaryozyten eine Billion Thrombozyten hergestellt, was laut Ghevaert in etwa der Menge von drei Thrombozyten-Konzentraten entspricht.

Die ersten funktionellen Tests zeigten, dass die im Labor gebildeten Thrombozyten viele, aber nicht alle Eigenschaften der natürlichen Thrombozyten hatten. So war die durchschnittliche Lebenszeit mit 7,1 gegenüber 19,7 Tagen kürzer, auch der Anteil der unreifen Thrombozyten war höher. Die Plättchen bestanden jedoch einige Labortests und in einem Mäusemodell unterstützten sie die Bildung von Thromben.

An eine Massenproduktion zur Deckung des klinischen Bedarfs ist laut Ghevaert frühestens in einigen Jahren zu denken. Zunächst muss die Vorwärts-Programmierung weiter optimiert werden. Auch die Sicherheit der Thrombozyten, die letztlich von genetisch manipulierten Zellen hergestellt werden, dürfte ein Thema sein, auch wenn Thrombozyten, die keinen Zellkern enthalten, nicht zum Ausgangspunkt von Malignomen werden können.

rme

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