Politik

Streit um Krankenhaus­reform: Woidke entlässt Gesundheits­ministerin

  • Freitag, 22. November 2024
Brandenburgs Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne)./picture alliance, Carsten Koall
Brandenburgs Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne)./picture alliance, Carsten Koall

Berlin – Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hat überraschend seine Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) entlassen. Sie sei von ihren Amtsgeschäften entbunden, teilte die Staatskanzlei soeben mit.

Heute steht die Entscheidung im Bundesrat über die umstrittene Krankenhausreform an, bei der Nonne­macher vor einem Aus gewarnt hatte. Sie wollte in der Länderkammer sprechen. Woidke hingegen will die Reform in den Vermittlungs­ausschuss schicken.

Wie der Tagesspiegel schreibt, gab es in Brandenburg bis gestern keine Einigkeit über das Abstimmungsver­halten. Demnach soll es vom Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) Druck auf Woidke geben, gegen das Kran­kenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) zu stimmen. Woidke befindet sich gerade mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) in den letzten Zügen der Koalitionsverhandlungen für eine neue Landesregierung.

Man habe versucht Nonnemacher hinsichtlich der Krankenhausreform nochmal umzustimmen, sagte Woidke nach der Abstimmung am Rande der Bundesratssitzung. Die gesamte Gesundheitslandschaft in Brandenburg sei der Meinung, dass die Krankenhausreform nicht in Kraft treten sollte, sondern dass es Verbesserungen benötige, so Woidke weiter.

Er wollte den Vermittlungsausschuss anrufen, zu diesem Schritt habe sich Nonnemacher aber geweigert. Non­nemacher hatte vor einem vorläufigen Aus der Krankenhausreform im Bundesrat gewarnt und angekündigt, sich bei der Abstimmung für Brandenburg zu enthalten. Damit wäre die Stimme des Bundeslands nicht gezählt worden.

„Ich bedauere diesen Tiefpunkt der politischen Kultur“, sagte Nonnemacher heute im Gesundheitsministerium in Potsdam. Sie habe ihre schriftliche Entlassung im Flur des Bundesrats erhalten. Dass Ministerpräsident Woidke sie entlassen habe, noch bevor sie ihre geplante Rede im Bundesrat halten konnte, sei auch für sie überraschend gekommen, sagte die Grüne.

Die Situation spitzte sich nach Angaben Nonnemachers zu, nachdem sie angekündigt hatte, nicht auf ihre Rede im Bundesrat verzichten zu wollen. „Solange ich keine Entlassungsurkunde in den Händen halte, werde ich auch diese Rede halten“, habe sie in der Koalitionsrunde mit Woidke gesagt.

Nonnemacher hatte vorgestern bei einem Gespräch mit Journalisten erklärt, dass sich die Landesregierung bei Unstimmigkeit innerhalb des Kabinetts enthalten werde. Sie sprach sich deutlich für die Krankenhausreform aus.

Der Gesundheitsminister aus Niedersachsen, Andreas Philippi (SPD), bedankte sich heute im Bundesrat für Nonnemachers Einsatz und ihre konstruktive Haltung bei den Verhandlungen des KHVVG. Sie habe insbesondere für die Kliniken im ländlichen Raum viel erreicht, betonte er.

Auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) erklärte heute im Bundesrat, dass Nonnemacher einen großen Anteil an der Krankenhausreform habe. Sie habe sich insbesondere dafür eingesetzt, dass die Notfallversorgung in Brandenburg in dem Umfang erhalten bleiben könne, sie sie notwendig sei. „Das ist ihr Verdienst“. Er bedauere ihre Entlassung. Nonnemacher habe sich für ihr Bundesland verdient gemacht.

Die Entlassung Nonnemachers macht die Abstimmung noch einmal spannend. Damit haben die Befürworter der Anrufung des Ausschusses 34 Stimmen sicher. Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-An­halt, Schleswig-Holstein und Thüringen haben bereits angekündigt, für die Anrufung des Ausschusses zu stimmen. Insgesamt gibt es 69 Länder­stimmen im Bundesrat.

Zur Abstimmung über die Krankenhausreform im Bundesrat hat Bayern inzwischen einen Antrag auf Anrufung des Vermittlungsausschusses eingebracht. Das teilte Gesundheitsministerin Judith Gerlach auf Anfrage mit.

„Unser Ziel ist es, zu dringend notwendigen Nachbesserungen zumindest in zentralen Punkten des Gesetzes zu kommen“, sagte die CSU-Politikerin. Die Länderkammer kann damit nun darüber abstimmen, ob sie das vom Bundestag beschlossene Gesetz in den gemeinsamen Vermittlungsausschuss mit dem Parlament schicken will.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach äußerte sich kurz vor Beginn der Bundesratssitzung zuversichtlich, dass die Reform gebilligt wird. „Da kommt eine Reform zum Abschluss, an der wir zwei Jahre intensiv gearbeitet haben“, sagte der SPD-Politiker. Aus seiner Sicht werde es „ein guter Tag“ für die Krankenhäuser, aber insbeson­dere auch für die Patientinnen und Patienten sein.

Die Reform soll den finanziellen Druck auf die Kliniken mindern und eine stärkere Spezialisierung bei kompli­zierteren Behandlungen durchsetzen. Dafür soll die Vergütung mit Pauschalen für Behandlungsfälle geändert werden. Künftig sollen Kliniken 60 Prozent der Vergütung schon für das Vorhalten bestimmter Angebote bekommen.

Grundlage der Finanzierung durch die Krankenkassen sollen zudem neue „Leistungsgruppen“ sein. Sie sollen die jeweiligen Klinikbehandlungen genauer beschreiben und bundeseinheitliche Qualitätsvorgaben dafür absichern.

may/cmk/dpa

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