Studie: Antibiotika erhöhen und senken Darmkrebsrisiko

Baltimore – Die Behandlung mit oralen Antibiotika ist mit einem erhöhten Risiko von Krebserkrankungen im vorderen Kolon verbunden, während Rektumkarzinome in einer Fall-Kontrollstudie in Gut (2019; doi: 10.1136/gutjnl-2019-318593) seltener auftraten, wenn die Patienten in den Jahren zuvor bestimmte Antibiotika eingenommen hatten.
Orale Antibiotika können die Zusammensetzung der Darmflora nachhaltig verändern. Damit besteht prinzipiell die Möglichkeit, dass sich Bakterien ausbreiten, die langfristig das Darmkrebsrisiko erhöhen. In früheren epidemiologischen Studien waren bereits entsprechende Assoziationen gefunden worden. Die Studien hatten jedoch den Einfluss von konkurrierenden Risikofaktoren wie Adipositas, Rauchen oder Alkoholkonsum nicht hinreichend berücksichtigen können.
Die „Clinical Practice Research Datalink“, die die elektronischen Krankenakten von mehr als 11 Millionen Briten (fast 7 % der Bevölkerung) speichert, ermöglicht eine wesentlich genauere Analyse, da die Ärzte vielfältige Angaben zu ihren Patienten notieren.
Ein Team um Cynthia Sears von der Johns Hopkins University School of Medicine in Baltimore hat die Verordnungsdaten von 28.930 Darmkrebspatienten mit 137.077 Patienten gleichen Alters und Geschlechts ohne Darmkrebs verglichen.
Von den Patienten mit einem Kolonkarzinom hatten in den 8,1 Jahren davor 71,3 % ein Antibiotikarezept erhalten gegenüber 69,1 % in der Kontrollgruppe. Bei den Patienten mit Rektumkarzinom betrug die Verordnungshäufigkeit 67,1 und 67,2 %.
Die Unterschiede waren beim Kolonkarzinom nicht groß. Die Odds Ratios waren jedoch signifikant und sie stiegen mit der Dauer der Antibiotikabehandlung an. Die Einnahme von Antibiotika über mehr als 60 Tage war mit einem um 17 % erhöhten Risiko auf ein Kolonkarzinom verbunden (Odds Ratio 1,17; 95 %-Konfidenzintervall 1,10 bis 1,23). Für das proximale Kolonkarzinom ermittelte Sears bei einer Einnahmedauer von 31 bis 60 Tagen eine Odds Ratio von 1,32 (1,15 bis 1,51).
Die Erhöhung des Risikos im ersten Abschnitt des Dickdarms erscheint biologisch plausibel, weil die vom Dünndarm nicht resorbierten Antibiotika hier auf eine vermehrte Zahl von Bakterien treffen.
Nicht alle Antibiotika scheinen das Darmkrebsrisiko zu erhöhen. Sears ermittelte nur für Substanzen gegen anaerobe Bakterien signifikante Odds Ratios. Antibiotika gegen aerobe Bakterien könnten sogar eine Schutzwirkung entfalten. Das Risiko auf ein Rektumkarzinom nahm bei dieser Antibiotika-Gruppe mit zunehmender Dosis tendenziell ab. Die Odds Ratio bei einer Behandlungsdauer von mehr als 60 Tagen betrug 0,84 (0,68 bis 1,03).
Von den Einzelsubstanzen waren Penicilline mit einem erhöhten und Tetrazykline mit einem verminderten Darmkrebsrisiko verbunden. Auch dies lässt sich biologisch erklären. Tetrazykline haben eine antientzündliche Wirkung (die beispielsweise in der Behandlung der Akne genutzt wird). Auch antineoplastische Eigenschaften werden laut Sears diskutiert.
Die einzelnen Patienten sollten sich keine allzu großen Sorgen machen, meinten die vom Science Media Center in London befragten Experten. Das Lebenszeitrisiko erhöhe sich für Männern von 7 % auf 8 % und für Frauen von 6 % auf 7 % – sofern den Assoziationen eine Kausalität zugrunde liege, was bei epidemiologischen Studien nie ganz sicher sei.
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