Studie: Gliome auch genetisch zweigeteilt
Houston/London/Umeå - Die bisher größte genomweite Assoziationsstudie zum häufigsten malignen Hirntumor hat die Zahl der bekannten Risikogene verdoppelt und sie bestätigt laut der Publikation in Nature Genetics (2017; doi: 10.1038/ng.3823) die histopathologische Zweiteilung, die das „high-grade“-Glioblastom von den übrigen „low-grade“-Gliomen abgrenzt.
Die Gliome sind die häufigsten malignen Hirntumore mit jährlich fast 6.000 Todesfällen in Deutschland. Die Tumore lassen sich grob in das „high-grade“-Glioblastom (GBM) und „low-grade“-Gliome einteilen. Das GBM hat eine besonders ungünstige Prognose mit einer 5-Jahres-Überlebensrate von weniger als 5 Prozent. Aber auch die meisten Menschen mit einem Gliom sterben an dem Hirntumor, der sich selten komplett resezieren lässt.
Die Ursache von Gliomen ist unklar, und abgesehen von hochdosierten ionisierenden Strahlen scheint es keine Umweltursachen zu geben. Ein zweifach erhöhtes familiäres Risiko deutet dagegen auf eine genetische Komponente hin, die in den letzten Jahren bereits mehrere genom-weite Assoziationsstudien veranlasst hat, in denen 13 Einzelnukleotid-Polymorphismen (SNP) gefunden wurden.
Das „Glioma International Case Control Consortium“ unter der Leitung von Forschern des Baylor College of Medicine in Houston, der Universität Umeå in Schweden und des Institute of Cancer Research in London kann jetzt nachlegen. Der Vergleich des Genoms von 12.495 Patienten und 18.190 gesunden Kontrollen an Millionen unterschiedlichen Genorten führte zur Entdeckung von 13 weiteren SNPs, die ein erhöhtes Risiko anzeigen. Ingesamt erklären die jetzt bekannten 26 Risiko-Gene bis zu 27 Prozent des familiären Risikos am GBM und bis zu 37 Prozent des familiären Risiko an den Nicht-GBM-Tumoren, was für genomweite Assoziationsstudien ein beachtlicher Anteil ist.
Die einzelnen SNP hatten einen deutlich unterschiedlichen Einfluss auf die beiden Subtypen. Die Forscher sind deshalb überzeugt, dass es sich tatsächlich um zwei ätiologisch unterschiedliche Tumore handelt. Dies zeigt sich beispielsweise an einem SNP in dem Gen HEATR3, das das Risiko auf ein Glioblastom um 18 Prozent steigert, aber kaum Einfluss auf die Entwicklung eines Nicht-Glioblastoms hat.
Mehrere der beteiligten Gene, etwa TERT und RTEL1, beeinflussen die Telomere, also die Endstücke der Chromosomen, deren Erhalt eine Voraussetzung für eine unaufhörliche Zellteilung ist. Andere wie p53 sind an der DNA-Reparatur beteiligt, deren Defekt die Gefahr einer Krebsentstehung erhöht. Das Gen EGFR macht die Zelle empfänglich für Wachstumsimpulse von außen. Eine Variante in der Nähe des Gens MPG könnte die Wirksamkeit von Temozolomid beeinflussen, dem wichtigsten Zytostatikum zur Behandlung von Gliomen.
Ob die Ergebnisse der Studie zu neuen Behandlungsansätzen oder einem Gentest führen, mit dem sich das Erkrankungsrisiko von Verwandten oder auch die Wirksamkeit von Medikamenten vorherbestimmen lässt, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht vorhersehbar.
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