Medizin

Studie: ICD bei nicht ischämischer Herzinsuffizienz ohne Überlebensvorteil

  • Dienstag, 30. August 2016
Uploaded: 27.08.2013 19:27:32 by mis

Kopenhagen – Die Implantation eines Kardioverter-Defibrillator (ICD), den die euro­päischen und US-amerikanischen Fachgesellschaften für alle Patienten mit fortge­schrittener systolischer Herzinsuffizienz empfehlen, hat in einer randomisierten Studie das Sterberisiko von Patienten mit nicht-ischämischer Genese der Herzinsuffizienz nicht gesenkt, obwohl die Zahl der plötzlichen kardialen Todesfälle halbiert wurde. Die Ergebnisse der Studie wurden auf dem Jahreskongress der European Society of Cardiology (ESC) in Rom vorgestellt und im New England Journal of Medicine (2016; doi: 10.1056/NEJMoa1608029) publiziert.

Derzeit wird allen Patienten mit fortgeschrittener systolischer Herzinsuffizienz zur Implantation eines Kardioverter-Defibrillators (ICD) geraten. Die European Society of Cardiology hat hierzu eine Klasse-1B-Empfehlung, die American Heart Association sogar eine Klasse-1A-Empfehlung abgegeben. Zugrunde gelegt wurden die Ergebnisse randomisierter klinischer Studien, in denen ein ICD das Sterberisiko deutlich gesenkt hat.

An diesen Studien hatten jedoch überwiegend Patienten mit ischämischer Herzin­suffizienz teilgenommen, die meist Spätfolge eines Herzinfarktes ist. Für Patienten mit anderen Ursachen der Herzinsuffizienz besteht jedoch eine Evidenzlücke. Die „Danish Study to Assess the Efficacy of ICDs in Patients with Non-ischemic Systolic Heart Failure on Mortality“ (DANISH) sollte sie schließen.

An der Studie nahmen 556 Patienten teil, bei denen aufgrund eines Abfalls der linksventrikulären Auswurffraktion auf unter 35 Prozent die Indikation für einen ICD erfüllt war, die aber keinen Herzinfarkt in der Vorgeschichte hatten. Die Ursache der Herzinsuffizienz konnte in den meisten Fällen nicht geklärt werden, bei einigen war sie Folge eines Herzklappenfehlers oder anderer vaskulärer Erkrankungen. Die Patienten wurden nach dem Zufallsprinzip auf zwei Gruppen aufgeteilt, in einer erhielten sie eine ICD, in der anderen nicht.

Alle Patienten erhielten eine nach heutigen Kriterien optimale medikamentöse Therapie, bei 58 Prozent wurde auch eine kardiale Resynchronisationstherapie durchgeführt. Dabei stimmt ein spezieller Herzschrittmacher die Tätigkeit der beiden Herzkammern aufeinander ab, was die Herzleistung optimiert. Die Resynchronisationstherapie ist aber auch in der Lage, tödliche Herzrhythmusstörungen zu vermeiden.

Wie Lars Køber vom Rigshospitalet in Kopenhagen und Mitarbeiter berichten, starben während der medianen Nachbeobachtungszeit von 67,6 Monaten in der Gruppe mit ICD 21,6 Prozent der Patienten, in der Gruppe ohne ICD waren es mit 23,4 Prozent etwas mehr. Die Hazard Ratio von 0,87, die eine Senkung des Sterberisikos um 13 Prozent anzeigt, war mit einem 95-Prozent-Konfidenzintervall von 0,68 bis 1,12 nicht signifikant.

Damit hatte die Studie ihr Ziel, das Sterberisiko von Patienten mit nicht-ischämisher Herzinsuffizienz zu senken, nicht erreicht. Da das Sterberisiko der „härteste“ Endpunkt in klinischen Studien ist und die Evidenzlage früherer Studien begrenzt war, müssten die Ergebnisse der Studie eigentlich zu einer Neubewertung der ICD in dieser Patienten­gruppe führen.

Diese Neubewertung könnte nicht nur die Behandlungskosten in der Kardiologie senken, sie würde auch vielen Patienten die unnötige Implantation eines Gerätes ersparen, das gelegentlich ohne Grund einen Stromstoß auslöst. In der DANISH war dies bei 33 Patienten (5,9 Prozent) der Fall. Da viele Patienten bei einem Stromstoß kurzzeitig bewusstlos werden, kann dies Nachteile mit sich bringen.

Dazu gehört beispielsweise ein Fahrverbot. Eine ebenfalls in Rom vorgestellte Studie aus Dänemark kam zu dem Ergebnis, dass ICD-Träger zu 51 Prozent häufiger in Verkehrsunfälle verwickelt waren. Insgesamt 2,3 Prozent der ICD-Träger wurden innerhalb von 2,5 Jahren nach einem Autounfall im Krankenhaus behandelt. In einer Kontrollgruppe waren es nur 1,7 Prozent.

Ein weiterer Nachteil der ICD-Implantation sind Infektionen, die bei 5,1 Prozent der Patienten mit ICD (aber ohne Resynchronisations-Schrittmacher) und bei 0,8 Prozent der Kontrollen auftraten (Hazard Ratio 6,35; 1,38-58,87). Diese Analyse ist auf Patienten ohne Resynchronisationstherapie beschränkt.

Dennoch dürfte es den Fachgesellschaften schwerfallen, alle Patienten mit non-ischämischen Herzinsuffizienzen aus der Empfehlung herauszunehmen. Die Studien­ergebnisse belegen nämlich, dass die Stromstöße einigen Patienten das Leben gerettet haben. Die Rate von plötzlichen Todesfällen war mit 4,3 Prozent bei den ICD-Trägern nur halb so hoch wie in der Kontrollgruppe, wo 8,2 Prozent am plötzlichen Herztod starben. Die Hazard Ratio von 0,50 war mit einem 95-Prozent-Konfidenzintervall von 0,31 bis 0,82 signifikant.

Möglicherweise werden die Fachgesellschaften den Einsatz auf jüngere Patienten beschränken, die in der DANISH-Studie den größten Nutzen hatten. In der Gruppe der unter 68-jährigen Patienten wurde das Sterberisiko um 36 Prozent gesenkt. Die Hazard Ratio von 0,64 war mit einem 95-Prozent-Konfidenzintervall von 0,45 bis 0,90 signifikant.

rme

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung