Studie: Männer und Ältere häufiger unwissentlich mit SARS-CoV-2 infiziert

Mainz – Männer und ältere Menschen stecken sich offenbar häufiger mit SARS-CoV-2 an, ohne dies zu bemerken. Darauf deuten erste Ergebnisse einer Studie mit mehr als 10.000 Teilnehmern hin, die von mehreren Forscherteams der Universitätsmedizin Mainz durchgeführt wurde. Mehr als 40 Prozent der Probanden wusste demnach nicht von der Infektion.
Systematische Testungen seien daher wichtig, um eine mögliche vierte Infektionswelle rechtzeitig erkennen zu können, so die Autoren. Momentan sei die Zahl derer, die sich testen lassen, in allen Altersgruppen rückläufig.
Die Forschenden hatten für die Untersuchung zwischen Oktober 2020 und Juni 2021 laufend Daten zur Ausbreitung und den Folgen von SARS-CoV-2-Infektionen sowie den körperlichen und psychosozialen Folgen der Pandemie und den in diesem Zeitraum erfolgten Schutzmaßnahmen erhoben. Abfrage und Analyse werden noch bis ins kommende Jahr fortgeführt.
Erfasst wurden persönliche Informationen und Biomaterial einer Stichprobe von Teilnehmern zwischen 25 bis 88 Jahren der Stadt Mainz und dem Landkreis Mainz-Bingen. Die Ergebnisse sind für diese Region repräsentativ. Bei 80 Prozent der Probanden konnten die Forschenden zusätzlich auf umfangreiche Vordaten zurückgreifen, die im Rahmen einer anderen Studie bereits seit 2007 erhoben wurden.
„Die Gutenberg-Gesundheitsstudie ist damit eine der größten lokalen Gesundheitsstudien der Welt geworden“, so die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer, die die Ergebnisse heute gemeinsam mit ihrem Wissenschaftsminister Clemens Hoch sowie dem Sprecher der Studienleitung, Philipp Wild, dem Präsidenten der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Georg Krausch, sowie dem Vorstandsvorsitzenden und Medizinischen Vorstand der Universitätsmedizin Mainz, Norbert Pfeiffer, vorstellte.
Die Untersuchung könne direkte Erkenntnisse zum pandemischen Geschehen für das Bundesland, aber auch über dessen Grenzen hinaus liefern. So ließen die Daten etwa erkennen, dass Probanden, die sich an die AHA-Regeln hielten und im Homeoffice arbeiteten, seltener infizierten. Das Einhalten des Mindestabstands halbierte das Risiko den Angaben zufolge, ein Mund-Nasen-Schutz reduzierte es um ein knappes Drittel.
Kinder im Haushalt offenbar keine Infektionstreiber
Insgesamt infizierten sich 3,7 Prozent der Teilnehmer im Laufe der Studie mit SARS-CoV-2. Geprüft wurde sowohl mit PCR- als auch mit Antikörper-Tests. Dabei kamen die Autoren auf einen Dunkelzifferfaktor von 1,8. Mehr als 40 Prozent der Infizierten wussten demnach nicht von ihrer Infektion.
„Zu zehn Personen, die wissentlich infiziert sind, müssen acht Personen hinzugerechnet werden, die unwissentlich infiziert sind“, sagte Studienleitunssprecher Wild. Das Robert-Koch-Institut (RKI) hatte im April zuletzt einen Faktor von drei angenommen.
Auffällig ist vor allem die Zahl der unwissentlich Infizierten in höherem Alter. Den Angaben zufolge wussten bei den 76- bis 88-jährigen Probanden mehr als 63 Prozent nicht von ihrer Infektion. Männer waren dabei häufiger unwissentlich infiziert als Frauen. Zudem wüssten Menschen mit höherem sozioökonomischen Status häufiger von ihrer Infektion als solche mit niedrigerem Status.
Die Studie habe auch gezeigt, dass die Impfbereitschaft in der Gruppe der sozioökonomisch schlechter gestellten Teilnehmer merklich geringer war, was sich auch in den Impfzahlen widerspiegele, so Wild. Darauf müsse im Rahmen der Impfkampagnen reagiert und den Menschen deutlich gemacht werden, dass die Impfung auch einen gesellschaftlichen Nutzen habe.
Gleichzeitig sei die SARS-CoV-2-Prävalenz offenbar abhängig von prekären Wohnverhältnissen. Wer weniger als neun Quadratmeter Wohnfläche pro Person zur Verfügung habe oder mehr als 50 Prozent seines Einkommens für die Miete ausgebe habe ein um 1,6-fach höheres Risiko, sich zu infizieren.
Der Grund dafür liege nicht darin, dass sich die Betroffenen weniger streng an Sicherheitsvorkehrungen halten. Im Gegenteil: Den Angaben zufolge achteten Menschen, die in prekären Wohnsituationen leben, sogar etwas mehr etwa auf das Desinfizieren der Hände, trugen den Mund-Nasen-Schutz länger und hielten etwas häufiger den Mindestabstand ein. Treiber sei vielmehr die Anzahl von Personen, die in einem Haushalt lebten, so Wild – auch unabhängig davon, wie viele Kinder darunter seien.
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