Vermischtes

Studie sieht Chemikalienbelastung in Nagelstudios

  • Montag, 21. Februar 2022
/Prostock-studio, stock.adobe.com
/Prostock-studio, stock.adobe.com

Toronto/Dortmund – Kanadische Wissenschaftlerinnen warnen vor einer unerwartet hohen Belastung durch bestimmte Chemikalien in Nagelstudios. Menschen, die in solchen arbeiteten, seien Stoffen ausge­setzt, die häufig als Weichmacher und Flammschutzmittel verwendet würden, so das Ergebnis ihrer Stu­die, die in Environmental Science & Technology (2022; DOI: 10.1021/acs.est.1c04974) veröffentlicht wurde.

Tatsächlich stellten die in der Untersuchung ermittelten Werte eine gute Nachricht dar, sagt hingegen ein deutscher Experte: Die Chemikalien seien in so geringen Mengen gefunden worden, dass sie sich weit unter geltenden Arbeitsplatzgrenzwerten befänden.

In vielen Ländern der Welt boomen Nagelstudios, auch hierzulande gibt es seit Jahren etliche davon. Be­gleitet wird die Nachfrage nach professionell gestalteten Nägeln von verschiedenen, teils wider­sprüchli­chen Analysen zu den gesundheitlichen Gefahren, die mit der Arbeit in solchen Salons verbun­den sind.

So sorgte eine zweiteilige Artikelserie in der New York Times 2015 für Aufruhr, die einen Zusammen­hang zwischen jener Arbeit und Fehlgeburten, Krebs, Schilddrüsenerkrankungen und anderen gesund­heitli­chen Problemen nahelegte.

Im Gegensatz dazu stellte eine US-amerikanische Forschungsgruppe in zwei Studien grundsätzlich we­der signifikant erhöhte Krebsraten unter kalifornischen Nagelstudioangestellten noch ein größeres Risi­ko für Schwangerschaftskomplikationen fest.

2019 ergab eine Modellierung von Forschern der University von Colorado wiederum ein potenziell deut­lich erhöhtes Risiko, nach 20 Jahren im Job an Lungenkrebs, Leukämie oder anderen Krebsarten zu erkran­ken.

Ähnlich kontrovers ist der wissenschaftliche Blick auf das Hautkrebsrisiko, das von den in den Studios eingesetzten UV-A-Lampen ausgehen könnte, wie das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) auf seiner Website zusammenfasst.

Wissenschaftlerinnen der Universität von Toronto haben sich nun mit der Belastung durch bestimmte Chemikalien in kanadischen Nagelstudios beschäftigt. Konkret untersuchten sie die Raumluft in 18 Dis­countnagelstudios, indem sie Nageldesignerinnen sowohl aktive Luftprobensammler als auch passive Sensoren in Form von speziellen Silikonarmbändern und -broschen tragen ließen.

Sie stellten zum einen fest, dass die Frauen mehreren Phthalatweichmachern ausgesetzt waren – was angesichts derer Verwendung in Körperpflegeprodukten zu erwarten gewesen sei. Darüber hinaus wur­den aber auch Organophosphorsäureester (OPEs) gefunden, die gesundheitsschädigend wirken können.

Die spezifische Quelle dieser Stoffe in den Nagelstudios wurde in der Studie nicht ermittelt, die Auto­rin­nen weisen aber darauf hin, dass solche OPEs als Flammschutzmittel Baumaterialien, bestimmten Isolie­rungen sowie Sitz- und Bettzeug zugesetzt werden. In den Nagelsalons könnten zudem schaum­stoffhalti­ge Sitzmöbel, Handauflagen, Sandalen und Zehentrenner mögliche Quellen sein.

Für die Autorinnen bietet ihre Untersuchung möglicherweise Anlass zur Sorge, „da die Exposition gegen­über einigen Phthalaten und OPEs und ihren Metaboliten mit einem erhöhten Risiko für papillären Schild­­drüsenkrebs bei Erwachsenen, einem höheren Risiko für Endometriose, einer Zunahme des Gebär­muttervolumens, einer verringerten weiblichen Fruchtbarkeit und einer Verringerung der männlichen Samenqualität in Verbindung gebracht wurde“, wie es am Ende der Studie heißt.

Eine Warnung, die sich aus den Analysewerten für Thomas Gebel, Gruppenleiter Toxikologie der Bundes­anstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), nicht ableitet: Die ermittelten Werte seien so gering, dass es sich eigentlich um eine gute Nachricht handele.

Gebel erklärt seine Einordnung anhand des Weichmachers Diisobutylphthalat (DIBP), dessen Median­wert in den Nagelstudios bei 337 Nanogramm pro Kubikmeter lag. „Dieser Wert liegt um etwa den Faktor Tau­send unter dem, was am Arbeitsplatz in Deutschland für den verwandten Stoff Dibutyl­phthalat als Grenz­wert gilt, nämlich 0,58 Milligramm oder 580 Mikrogramm pro Kubikmeter.“

Dabei sei der Arbeitsplatzgrenzwert als gesundheitsbasierter Grenzwert definiert. „Das heißt, wenn ge­sun­de Arbeitnehmer diesen Grenzwert am Arbeitsplatz jeden Tag über acht Stunden ihr gesamtes Ar­beits­leben lang ausschöpfen, erleiden sie dadurch im Generellen keine Erkrankung.“

Bei den in der Studie genannten Flammschutzinhibitoren lägen die Werte teilweise sogar um den Faktor 10.000 unter dem, was für diese Stoffgruppe als Arbeitsplatzgrenzwert üblich sei. „Selbst, wenn die Stoffe sehr kritische Gesundheitsgefährdungseigenschaften wie zum Beispiel eine Krebs erregende Wirkung hätten, sind die Belastungen so niedrig, dass kein unakzeptables Risiko vorläge“, fasst Gebel zusammen.

dpa

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung