Studien: Omikron scheint Lungen zu verschonen

St. Louis, Liverpool, Löwen und Hongkong – Die Omikron-Variante von SARS-CoV-2 scheint sich in den Atemwegen besser zu vermehren als im Lungengewebe. Dies kam in Experimenten mit Nagern und an menschlichen Lungenbiopsien heraus, die Ende des Jahres veröffentlicht wurden. Die Ergebnisse liefern eine Erklärung für den häufig milden Verlauf von COVID-19 durch Omikron.
Bei Mäusen kommt es nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 zu einem Gewichtsverlust, was ein einfacher Marker für eine COVID-19-Erkrankung ist. Doch die 129 Mäuse, die 3 US-Forscherteams in den vergangenen Wochen mit Omikron infizierten, blieben gesund.
Trotz der erhöhten Infektiosität, die Omikron aufgrund der Mutationen und erster Laborexperimente nachgesagt wird, kam es in den Nasen- und vor allem in den Lungen kaum zu einer Vermehrung der Viren.
Die Konzentration war teilweise 1.000-fach niedriger, wie Michael Diamond und Mitarbeiter von der Washington University in St. Louis/Missouri in Nature Portfolio (2021; DOI: 10.21203/rs.3.rs-1189219/v1) berichten. Auch transgene Mäuse (K18-hACE2), die mit dem menschlichen ACE2-Rezeptor ausgestattet sind, überstanden die Infektionen weitgehend unbeschadet.
Bei den etwas größeren Hamstern wurden im Mikro-CT nur fleckenhafte Milchglastrübungen als Zeichen einer milden Pneumonie beobachtet. Der CT-Score lag bei 2 gegenüber 12 nach einer Infektion mit dem Delta-Virus. Die Lungen waren makroskopisch frei von Ödemen und Einblutungen. Mikroskopisch fehlten die ausgedehnten Infiltrationen von Neutrophilen und Lymphozyten in den Alveolen, die sonst für SARS-CoV-2 typisch sind.
Ähnliche Beobachtungen machte ein Team um James Stewart von der Universität Liverpool, das ebenfalls Experimente an K18-hACE2-Mäusen durchgeführt hat und die Ergebnisse in bioRxiv (2021; DOI: 10.1101/2021.12.26.474085) vorstellt. Die Tiere verloren zwar 15 % an Gewicht, erholten sich aber innerhalb weniger Tage. Die Viruslast in den oralen Abstrichen war 100-mal niedriger als nach einer Infektion mit der Delta-Variante und die histologischen Veränderungen blieben minimal.
Ein Team um Johan Neyts von der Katholischen Universität Löwen in Belgien hat Goldhamster mit dem Wildtyp von SARS-CoV-2 oder Omikron infiziert. Vier Tage später waren die mit dem Wildtyp infizierten Hamster an einer Bronchopneumonie erkrankt mit ausgedehnten entzündlichen Infiltraten in der Umgebung der Bronchien und der Gefäße, während die Lungen laut der Publikation in bioRxiv (2021; DOI: 10.1101/2021.12.24.474086) eine nahezu normale Histologie hatten.
Tierexperimentelle Ergebnisse sind nur bedingt auf den Menschen übertragbar. Aufschlussreich sind deshalb die Beobachtungen, die ein Team um Michael Chan von der Universität Hongkong an Zellkulturen durchgeführt hat. Die Zellen stammten von 12 nicht infizierten Patienten, die sich einer elektiven Lungenoperation unterzogen hatten. Die Biopsien wurden mit dem Wildtyp und verschiedenen Varianten von SARS-CoV-2 infiziert.
Auf den in Nature Portfolio (2021; DOI: 10.21203/rs.3.rs-1189219/v1) veröffentlichten Gewebeschnitten ist zu sehen, dass sich Omikron in der Bronchialschleimhaut stärker vermehrt als die anderen Varianten. In den Lungenpräparaten war dies anders: Die anderen Varianten sind nach einer immunhistochemischen Anfärbung auf den Gewebeschnitten deutlich zu erkennen. Bei Omikron fällt der Nachweis negativ aus.
Worauf das Aussparen der Lunge bei Omikron zurückzuführen ist, konnten die Forscher nicht klären. Ein besonderer Zell-Tropismus war nicht nachweisbar: Omikron infizierte dieselben Zellen wie die anderen Varianten.
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